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Archiv: 02.2014
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Schwule und Schule

Bild - Schwule und Schule
Die erste Begegnung mit einem Schwulen hatte ich recht früh in meinen Leben, ich hatte und habe nämlich einen schwulen Cousin. Das wusste ich aber damals nicht. Genauer gesagt: Ich wusste natürlich, dass er mein Cousin war, ich wusste aber nicht, dass er schwul war.

Den Begriff gab es damals noch nicht und ich, die Unschuld vom Lande, wusste nicht einmal, dass es so etwas wie Homosexualität gibt. Das ist mir erst spät bewusst geworden. Da steckte ich schon mitten in der Pubertät und hatte genug mit meiner (Hetero)Sexualität zu tun, an dem auf einmal sehr intensiven Interesse am anderem Geschlecht, das wiederum kein Interesse an mir zeigte. Aber ich schweife ab. Der Cousin hatte einen weichen Händedruck und ein sanftes, höfliches Wesen, das im auffallenden Kontrast zur lauten, erdrückenden Präsenz seiner Mutter stand. Heute lebt er wie so viele Schwule mit seinem Lebenspartner in Köln.

Als ich vor ein paar Jahren davon erfuhr, wusste ich die Zeichen der ersten Begegnungen zu deuten. So ist es mir noch oft gegangen. Ich bin halt in einer Zeit aufgewachsen, in der über Homosexualität nicht geredet wurde. Dass zumindest einer meiner Lehrer schwul war, nämlich der erfrischend unkonventionelle Englischlehrer, und wohl auch einer meiner Klassenkameraden, der einen Ring im Ohr trug, ist mir ebenfalls erst einige Jahre nach meinen Schulabschluss klar geworden.

Irgendwann hat sie dann doch ihre Wirkung entfaltet, die unermüdliche Aufklärungsarbeit u.a. von Rosa von Praunheim, der gleich mit seinem ersten Film mit dem programmatischen Titel „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ für Furore gesorgt hat. Der Film wäre wahrscheinlich sang- und klanglos zu später Stunde im Ersten versendet worden, wenn der Bayrische Rundfunk sich nicht aus der Übertragung ausgeklinkt hätte und damit erst recht die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit darauf gelenkt hatte, Anfang der 90er, auf dem Höhepunkt der Aids-Krise, machte Rosa von Praunheim gegen deren Willen die Homosexualität von Hape Kerkeling und Alfred Biolek öffentlich. Seitdem ist viel passiert, Wir hatten und haben schwule Politiker jeden Couleur, erfolgreiche lesbische Sportlerinnen, Promis noch und nöcher, die schwul, lesbisch oder bi sind und kein Geheimnis draus machen. Was früher mit dem Ruch des Skandalösen behaftet war, löst heute nur noch ein Achselzucken aus, selbst in tiefster schwäbischer Provinz.
Das Outing des Ex-Profifußballers Thomas Hitzlsperger wurde mit allgemeinem Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Mit seiner robusten Spielweise und seinem harten Schuss, der ihm den Spitznamen „Hitz, the Hammer“ einbrachte, entspricht er so gar nicht dem gängigen Schwulenklischee, das freilich auch immer wieder von Schwulen selbst bedient wird. Aber nicht nur für Hetero- , sondern auch für Homosexuelle gilt die unbezweifelbare Feststellung „Es gibt solche und solche“. So wie es aussieht, ist die Toleranz gegenüber anderen Lebensformen und auch Formen der Sexualität abseits des heterosexuellen Mainstreams in den letzten Jahren zusehends gewachsen.

Was in beiderseitigem Einverständnis zwei erwachsene Menschen miteinander treiben, ist Privatsache. Diese Einsicht ist so weit durchgedrungen bis in die vielzitierte Mitte unserer Gesellschaft, dass sich schon die Frage stellt, warum die grün-rote Landesregierung sich genötigt fühlt, im Bildungsplan für 2015 die Umsetzung der fünf Leitprinzipien (Berufliche Orientierung. Bildung für nachhaltige Entwicklung, Medienbildung, Verbraucherbildung, Prävention & Gesundheitsförderung) unter dem Gesichtspunkt der „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ festzuschreiben.

Die Bildungsplan-Gestalter folgen damit weitgehend den Forderungen des Netzwerks LSBTTIQ (das Kürzel steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell, intersexuell und queer). Die Lehrer, die so ganz en passant auch noch für die Toleranz gegenüber Zwittern und Transvestiten werben sollen, können einem jetzt schon leidtun. Aber die hiesige Landesregierung hat schon bei der übers Knie gebrochenen Schulreform gezeigt, dass sie für ihr Ziel der allseitigen Menschheitsbeglückung über die Leichen völlig überforderter Lehrkörper geht. In der Praxis sieht die Sache glücklicherweise anders aus, da werden die großen Ansprüche realitätsferner Bildungsplaner in ganz kleiner Münze ausgezahlt. So gesehen besteht eigentlich kein Grund zur Aufregung. Eine Überschätzung der Wirkungsmöglichkeiten der Schule spricht allerdings auch aus der Petition selbst, erstens schon mal im Wichtig nehmen eines Papiers, das im Grunde doch nur wichtig tut, zweitens im Aufstellen eines Forderungskatalogs für eine „verantwortungsbewusste Sexualpädagogik“, in dem u.a. die Orientierung an den Werten unseres Grundgesetzes, darunter der Schutz von Ehe und Familie, und die Benennung und Ursachenforschung der Suizidgefährdung bei homosexuellen Jugendlichen aufgeführt wird.

Also sind eben doch die Landesregierung wie die Unterstützer der Petition dafür, dass im Unterricht Homosexualität und ähnliches zur Sprache kommt. „Damit, dass Schüler, wenn sie `Werteuntericht´hören, gähnen und sich auf Diskussionen mit feststehendem Ergebnis ohne Prüfungsfolgen einstellen, rechnet offenbar niemand, weder die Landesregierung noch die Petitionäre“, schreibt ein kundiger FAZ-Journalist, der weiter ausführt: „Weder ist ein Fach `Polymorphe Sexualität´ geplant, noch darf angenommen werden, die Kinder erführen durch die Schule erstmals von den entsprechenden Tatsachen. Sich Aufklärung als Umerziehung und Erziehung als Kausaltechnik vorzustellen, setzt das Vergessen der eigenen Schulzeit voraus.“ Das hätte ich nicht schöner sagen können. Was an der Petition homophob sein soll, die in Putins Russland wahrscheinlich unter Schwulenpropaganda verbucht werden würde, erschließt sich auch nach mehrmaligen Lesen nicht. Es geht um eine Diskussion, was die Schule leisten sollte und was nicht. Es ist schon erstaunlich, wie vor allem eine Partei, die Grünen, die immer wieder eine lebendigere Demokratie und eine stärkere Bürgerbeteiligung fordert, darauf reagiert, wenn Tausende von Bürgern einfach nur Bedenken gegen einen Bildungsplan anmelden, der in der Tat übers Ziel hinausschießt.

Unter allen Reaktionen, dummen wie gescheiten, hysterischen wie besonnenen, finden sich auch ein paar Äußerungen von Menschen aus der Gruppe LSBTTIQ, denen die Überfürsorge der grün-roten Landesregierung suspekt ist, die gut darauf verzichten können, pädagogisch betüttelt zu werden. Man sollte auf sie hören.