Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 03.2013
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Rettet unser Trinkwasser !

Das Trinkwasser in Karlsruhe hat eine hervorragende Qualität, die manches Mineralwasser übertrifft. Doch genau die ist in Gefahr! Wenn es nach dem Willen der EU geht, wird demnächst der Markt für die Trinkwasserversorgung europaweit liberalisiert und für private Anbieter die rein kommerzielle Absichten verfolgen geöffnet werden. Im Gegensatz beispielsweise zur Telekommunikation, wo der Verbraucher jederzeit den Anbieter wechseln kann, wenn er mit dem Angebot nicht zufrieden ist, funktioniert das beim Trinkwasser nun mal nicht. Schwer vorstellbar, dass Tanklastzüge durch die Gegend fahren, um alternative Trinkwasserangebote bereit zu stellen.

In England und Frankreich werden übrigens die Konzessionen zur privaten Wasserversorgung für die Dauer von 20 Jahren und länger vergeben. Da kann man sich vorstellen, was der Verbraucher da für Einflussmöglichkeiten hat. Die Regel ist vielmehr, dass die Kunden sich mit einer schlechteren Qualität zu höheren Preisen abfinden müssen und zudem noch kaum in die Infrastruktur – Leitungsnetz, Quellschutz usw.- investiert wird. Hinzu kommt, dass für die ganze Überwachung wieder eine Behörde benötigt wird. Damit sind etwaige Kostenvorteile auch schon wieder aufgehoben.

Ganz unschuldig an der Entwicklung sind manche Kommunen wiederum nicht: einige wenige Städte verkauften in der Vergangenheit ihr Eigentum an den Betrieben mehrheitlich oder vollständig für schnelles Geld oftmals ihre Versorgungsbetriebe an private Großkonzerne oder international agierende Investoren um ihre Geldnot zu lindern. Diese haben teilweise schlechte Erfahrungen gemacht und ihre Wasserversorgung wieder selbst in die Hand genommen. Anderseits gibt es auch in Deutschland kaum noch einen kommunalen Wasserversorgungsbetrieb, ohne eine private Beteiligung. Dies kann durchaus unterschiedlich sein: beispielsweise bei unseren Stadtwerken ist dies als Minderheitsgesellschafter die EnBW. Das können auch größere Unternehmen sein, wie in Norrdrhein-Westfalen die RWE. In Ostdeutschland ist sogar bereits der international agierende französische Wasser – Großkonzern und Investor Veolia dick im Geschäft. Gehört das Wasser zur Daseinsvorsorge oder ist es schlichte Handelsware?

Heribert Prantl kommentierte in der Süddeutschen Zeitung: „Die Juristen in ganz Europa besinnen sich derzeit auf die alten gemeinsamen Rechtsgrundlagen; sie fußen auf dem römischen Recht. Dort gab es die "res extra commercium" - die Dinge, die dem Kommerz entzogen waren. Man sollte sich daran erinnern. Das Wasser gehört dazu.“
Klappe auf sprach mit Prof. Matthias Maier, Wasserwerkleiter der Karlsruher Stadtwerke über die Trinkwasserkommerzialisierung.

Haben es die kommunalen Versorgungsbetriebe in Deutschland versäumt, die Verbraucher auf die Konsequenzen der EU-Richtlinie rechtzeitig, laut und deutlich hinzuweisen?

Dr. Matthias Maier: Nein, ich glaube nicht, dass dies geschehen ist. Allerdings zieht sich ein Prozess der Richtlinien – Erstellung bei der EU über Jahre hin, so dass die hierzu geführten Diskussionen aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden. Und da besteht tatsächlich die Gefahr, dass Regeln geschaffen werden, welche die langjährige Praxis einer mit hohen Qualitätsansprüchen durchgeführten Trinkwasserversorgung nicht ausreichend abbilden. Und dies ist hier aus meiner Sicht der Fall.

Man hat den Eindruck, dass viele Verbraucher gutes Trinkwasser nicht richtig zu schätzen wissen oder es für eine Selbstverständlichkeit halten, die keiner Mühe wert ist. Ist es nicht auch die Aufgabe kommunaler Versorgungsbetriebe, auf die Kostbarkeit von Trinkwasser permanent hinzuweisen? Auch im Interesse der Umwelt?

Dr. Matthias Maier: Ja, selbstverständlich. Ich selber habe einen Begriff, den ich gerne benutze: den „Schatz in der Tiefe“. Damit ist das Grundwasser gemeint, das in unseren vier Wasserwerken aus 63 Tiefbrunnen gehoben wird. Es ist von bester Qualität in chemischer und mikrobiologischer Hinsicht und braucht nur mit natürlichen Verfahren aufbereitet werden. Dies ist so, weil wir als kommunales Unternehmen den Belangen der Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeit verpflichtet sind. Das bedeutet, dass wir nicht nur das unbedingt notwendige für den Ressourcenschutz hier und heute tun, sondern dass wir Investitionen in Langfristigkeit, Nachhaltigkeit und Qualität fördern, damit auch unsere Kinder und Enkel von dem „Schatz in der Tiefe „ profitieren können.

Ist der Zug in Richtung Privatisierung der Wasserversorgung nicht schon längst abgefahren? Der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments hat bereits dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zugestimmt. Ist die Richtlinie überhaupt noch zu verhindern?

Dr. Matthias Maier: Nun, wir befinden uns in einem Gesetzgebungsprozess. Das heißt, dass es die Möglichkeit gibt, auf diesen Prozess Einfluss zu nehmen, bis das Gesetz beschlossen wird. Das tun die kommunalen Spitzenverbände, die Verbände der Wasserwirtschaft, besorgte Bürger über Initiativen und wir als Stadtwerke als betroffenes Unternehmen im Rahmen der Möglichkeiten der Information der Öffentlichkeit, Medien und vor allem der EU-Parlamentarier, die ja letztendlich die Richtlinie beschließen, die dann in nationales Recht überführt werden muss. Ich glaube, da ist noch Spielraum für unser Anliegen im Prozess der Erstellung der Richtlinie.

In Frankreich hat die private Wasserversorgung Tradition, aber auch in Deutschland sind Konzerne wie Veolia aktiv. Wie sind die Erfahrungen mit den Konzernen in Deutschland?

Dr. Matthias Maier: Durch historische, strategische oder energiewirtschaftliche Überlegungen getrieben, haben insbesondere große Stadtwerke Minderheitsgesellschafter mit ins Boot genommen. Dabei ist der kommunale Ansatz, dass die Stadtwerke ein Unternehmen zur Sicherung zur öffentlichen Daseinsvorsorge sind, die nicht in erster Linie Gewinnmaximierungsabsichten haben, auch weiterhin der maßgebliche Bestandteil der Philosophie der Stadtwerke. Dies als „Privatisierung“ im international geprägten Sinn eines globalen Marktes zu sehen, wäre falsch und würde der tatsächlichen Situation nicht gerecht. Daher sind die Ausnahmen in der Konzessionsrichtlinie, die derzeit diskutiert werden, nicht ausreichend und würden wohl auch die Stadt Karlsruhe vor die Situation stellen, die Trinkwasserversorgung ausschreiben zu müssen. Wir sehen daher mit Sorge, dass unsere Stadtwerke mit internationalen Großunternehmen, die reine Investoren- und Gewinnerzielungsabsichten haben, in einen Topf geworfen werden. Die Erfahrungen in Berlin waren dabei eben so, dass man die Anteile des Investors wieder in die kommunale Hand gebracht hat.

Die Anteile der EnBW und die Größe der Stadtwerke durch die Versorgung der umliegenden Gemeinden dürften der Kommission in Brüssel sicherlich ein Dorn im Auge sein. Werden sich die Stadtwerke umstrukturieren?

Dr. Matthias Maier: Jetzt steht erst einmal an, die Schwächen der Richtlinie aufzuzeigen und das Bewusstsein dafür zu wecken, dass die gute und bewährte deutsche Trinkwasserversorgung damit nicht hinreichend abgedeckt ist. Wir sprechen ja mit den Kommunen, den Verbänden der Wasserwirtschaft, vielen Politikern und vielen Bürgern eine Sprache, wenn wir fordern, dass die Trinkwasserversorgung von dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden soll. Das ist das erste Ziel. -ajh


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Der 22. März ist der Tag des Wassers, von der UNO dafür geschaffen, um der Öffentlichkeit und der Politik die Bedeutung des Wassers als Lebensgrundlage der Menschheit zu verdeutlichen. Wasser ist ein Menschenrecht. Tja, aber nur dann, wenn die Kasse stimmt.
Wer sich die Hände reiben kann, hat nun die EU festgelegt: Die Verbraucher sind es ganz sicher nicht. Aber noch gibt es Hoffnung.

Rettet unser Trinkwasser !

Aufruf der Stadtwerke - Jetzt abstimmen:
Europäisches Bürgerbegehren „Wasser ist ein Menschenrecht“ - Initiative gegen EU-Richtlinie

Wer gegen die Kommerzialisierung der Wasserversorgung und somit gegen die EU-Richtlinie ist, kann z.B. über die Homepage der Stadtwerke www.stadtwerke-karlsruhe.de oder auf www.wasser-ist-menschenrecht.de seine Stimme abgeben.

Der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments hat zwar bereits dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zugestimmt, doch mit einer Million Unterschriften europaweit ist die Europäische Kommission verpflichtet, das Thema nochmals auf die Tagesordnung zu nehmen. Und dabei kann sie die Bedenken unzähliger EU-Bürger nicht einfach vom Tisch wischen. Das Ziel ist inzwischen erreicht: Über eine Million Bürger haben bereits ihre Stimme abgegeben, hauptsächlich aus Deutschland und Österreich. Es können ruhig noch mehr werden... viel mehr, denn das kann kaum schaden und es müssen mehr werden aus anderen EU-Ländern, so dass das Europäische Bürgerbegehren dann auch tatsächlich greift.





(Feb 2013)

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