Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 07.2012
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Schön und gut´

Bild - Schön und gut´
Was wäre Julia Timoschenko ohne ihren charakteristischen Haarzopf´ Ihr glattes Gesicht, das international gängigen Schönheitsvorstellungen entspricht, hat sie schon lange, den Haarzopf hat sie sich erst vor ein paar Jahren geflochten, wenn sie ihn nicht hätte, wäre sie eine reife attraktive Blondine unter vielen reifen attraktiven Blondinen. So aber ist sie eine politische Ikone von hohem Wiedererkennungswert, das blitzsaubere, folkloristisch ange-hauchte Aushängeschild ihres maroden Landes, der Ukraine, dessen mit Abstand bekann-teste Strafgefangene sie ist. Oder kennt irgendeiner hierzulande den Namen eines anderen (politischen) Gefangenen in der Ukraine´

Mit ein paar Bildern von fragwürdigem Beweiswert, verzweifelten Appellen über Gefängnismauern hinweg hat sie es fertig gebracht im Vorfeld der Europameisterschaft das Interesse zumindest der europäischen Öffentlich-keit auf sich zu ziehen. Der Medienhype war gewaltig, der moralische Druck, der davon ausging, so groß, dass die Staatsoberhäupter der beteiligten Nationen davon Abstand nahmen, mit dem Ministerpräsidenten Janukowitsch in der Loge eines ukrainischen Fuß-ballstadions zu erscheinen.

Das Opfer ist in seiner Größe kaum zu ermessen, gehört es doch zu den schönsten Politiker-Privilegien bei freiem Eintritt auf den bequemsten und besten Plätzen die hochkarätigsten Fußballspiele miterleben zu dürfen. Der gewöhnliche Fußballfan muss dafür jede Menge Geld hinblättern und einige Unannehmlichkeiten auf sich nehmen. Respekt Frau Merkel, dass sie trotz ihrem in den letzten Jahren offenkundig gewordenen, man könnte auch sagen, zur Schau gestellten Fußball-Enthusiasmus heroisch darauf verzichtet haben, „unseren Jungs“ vor Ort die Daumen zu drücken!

Und doch drängt sich die Frage auf, ob der Medienwirbel und die Reaktionen darauf ebenso heftig ausgefallen wären, wenn Frau Timoschenko weniger ansehnlich wäre und nicht diese un-verkennbare Frisur hätte. Was wäre eigentlich passiert, wenn sie aussehen würde, wie ihr bulliger Widersacher Janukowytsch oder wie die rundlichen , Schürzen und Kopftücher tragenden Babuschkas, die sie wie eine Heilige verehren und unentwegt für sie auf die Straße gehen. Würde das Bild eines von der Staatsgewalt drangsaliertem alten Mütterchen ebenso heftig in den Medien zirkulieren wie das einer verfolgten blond(gefärbt)en Un-schuld´ Ich glaube nicht. Wobei nur in seriöseren Presseorganen dabei steht, dass der plötzliche Reichtum der Julia Timoschenko ebenso ungeklärt ist wie der anderen Oligarchen im Land, die wie Frau Timoschenko aus dem Zerfall der Sowjetunion und der Privati-sierung weiter Teile der Wirtschaft Kapital geschlagen haben.

Ein Kapital, das immer noch so groß ist, dass ihr Töchterchen, das sich als jüngere Ausgabe der Mama präsentiert, un-gehemmt durch die Welt jetten kann, um für deren Sache und deren Freilassung zu wer-ben. Wenn man das einmal zur Kenntnis genommen hat, drängt sich doch wohl eher der Verdacht auf, dass es sich bei Frau Timoschenko nicht um eine verfolgte Unschuld, son-dern um die Verliererin eines Machtkampfs in einem vordemokratischen Staatswesen handelt, in dem ohnehin die stinkreichen Herrschaften das Sagen haben, die keiner ge-wählt hat. Es sei denn, sie stellen sich wie die Timoschenko auch noch zur Wahl, weil es ihnen nicht genügt, hinter den Kulissen zu wirken, weil sie auch noch die Bühne der Öf-fentlichkeit brauchen.

Gutsein und Schönsein, das ist eine Kombination, die eher einem Wunschbild als der Wirklichkeit entspricht und deshalb auch so oft im Fernsehen und im Kino bedient wird. Und seien wir mal ehrlich, über das Innere kann man hinwegsehen, über das Äußere nicht. Obama wäre wohl kaum so enthusiastisch als Weltbeglücker gefei-ert worden, wenn er 1, 60 m groß wäre und eine Warze auf der Nase hätte. Aber so mit seiner schlanken und ranken Gestalt, mit den geschmeidigen Bewegungen und einer wohl- und volltönenden Stimme war er äußerlich prädestiniert für diese Rolle, die freilich für je-den, mag er nun hübsch oder hässlich, kurz oder lang sein, mehr als ein paar Nummern zu groß ist. Wenn Richard M. Nixon anstelle von John F. Kennedy der 35. Präsident der USA geworden wäre (und nicht der 37.) und hätte genau dieselbe Politik gemacht und wort-wörtlich dieselben Reden gehalten, es würden wohl kaum noch älteren Menschen in und um Berlin ganz warm werden ums Herz bei der nichtssagenden Platitüde „Ich bin ein Ber-liner“(was mit Fug und Recht eigentlich nur ein Bewohner der Stadt und ein in Fett geba-ckenes, mit Konfitüre gefülltes Hefegebäck für sich beanspruchen können).

Und wieviel größer wäre der Enthusiasmus unter den europäischen Linken (und damit meine ich nicht „Die Linken“) über den Wahlsieg des Sozialisten Francois Hollande, wenn der aussehen würde wie ein weißer Obama und nicht wie der Filialleiter einer Sparkasse. Was ihn für so Klassefrauen wie seine Ex Segolene Royal und seine jetzige Lebensgefährtin Valerie Trier-weiler attraktiv gemacht hat, teilt sich dem Betrachter nicht mit, aber das ist auch nicht so wichtig. Hauptsache, er macht eine andere und bessere Politik als Sarkozy, dieser Zappel-philipp mit der Louis de Funes-Fresse, womit wir schon wieder bei Äußerlichkeiten wären. Da bleib ich doch lieber unsichtbar.