Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2011
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Peter Spuhler

Intendant Staatstheater

Mit einer veränderten Mannschaft, einem komplett umgestalteten Design, frischem Wind, vielen neuen Gesichtern, einer hinzugekommenen Sparte, zahlreichen Ideen, das Publikum am Theater aktiv einzubeziehen und dem Spielzeitmotto „Von Helden“ startet das Badische Staatstheater am Samstag, 17. September, mit dem traditionellen Theaterfest ab 11 Uhr in die Saison 2011/2012. Dabei wird beim abendlichen Spielzeitcocktail Staatssekretär Jürgen Walter den neuen Generalintendanten Peter Spuhler offiziell in sein Amt einführen. Klappe Auf unterhielt sich im Vorfeld mit Peter Spuhler über den neuen Stil des Hauses, das Theater im Allgemeinen und das Schauspiel im Besonderen. jf

Sie stellen Ihre Intendanz unter ein Generalmotto und die Spielzeit für alle Sparten unter ein Spezialmotto. Welche Rolle spielen für Sie solche plakativen Überschriften´

Peter Spuhler: Gerade an einem Dreispartenhaus ist die Gefahr, dass jede Sparte ihr Eigenes macht. Mir geht es darum, dass das Haus gemeinsam an einem Thema arbeitet, als Versuch, sich mit unserer Zeit auseinanderzusetzen. Ich finde es spannend, zu beobachten, wie jede Sparte sich auf ihre Weise mit dem Thema „Helden“ auseinandersetzt, und bin stolz, dass sich alle sofort dazu bereit erklärt haben, dem Thema zu folgen. Die Zuschauer gehen dann vielleicht auch in Stücke, in die sie eigentlich nicht gegangen wären, weil sie es interessant finden, sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen. Ich habe mit den Motti nur sehr gute Erfahrungen gemacht.

Als Sie für Karlsruhe bestimmt wurden, freuten Sie sich besonders darauf, in der Stadt des Philosophen Peter Sloterdijk zu arbeiten, unter dessen Essaytitel „Du musst dein Leben ändern“ Sie nun auch die kommenden fünf Jahre stellen. Nun lassen Sie das Werk auch auf die Bühne bringen. Was erwartet das Publikum bei einer theatralischen Umsetzung eines philosophischen Essays´

Spuhler: Wir haben hierfür mit dem Berliner Patrick Wengenroth einen Theatermacher gewonnen, der für seine humorvolle und intelligente Umsetzung von Texten für die Bühne bekannt ist. Ich hoffe, dass diese beiden Attribute auch zu diesem Abend passen werden. Was genau passieren wird, davon habe ich noch keine Vorstellung.

Das Karlsruher Theaterpublikum hatte in den vergangenen Jahren eine starke Bindung zum Schauspielensemble aufgebaut. Nach welchen Kriterien haben Sie Spieler am Haus behalten und nach welchen ziehen lassen´

Spuhler: Für einen Intendantenwechsel haben wir hier sehr viele Mitarbeiter behalten. Das liegt auch daran, dass ich von den Schauspielern eine ganze Reihe noch aus meiner Tübinger Zeit sehr schätze und kenne. Die ausschlaggebenden Kriterien aber waren Persönlichkeit, Handwerk, Spielstärke und die spürbare Lust auf die Arbeit mit dem neuen Team. Aus Heidelberg bringe ich einige sehr starke Spieler mit, und es freut mich, dass bei den laufenden Proben die Ensembles bereits gut zusammenwachsen.

Das Karlsruher Schauspielpublikum ist über die Jahre gewohnt, dass es so etwas wie Hausregisseure gibt, deren Handschrift sich in verschiedenen Inszenierungen wiederfindet. Sie weichen von dieser Tradition gezielt ab. Warum´

Spuhler: Mein Ziel ist eine Vielfalt von Handschriften. Die große Linie ergibt sich durch die Stückeauswahl und das Motto. Für die Besucher ist wichtig zu wissen, dass sie, wenn sie sich mal mit einer Inszenierung nicht anfreunden konnten, beim nächsten Besuch schon auf ein gänzlich anderes Regiekonzept stoßen können.

Sie ziehen höchst unterschiedliche Regisseurinnen und Regisseure nach Karlsruhe, soll es dennoch so etwas wie einen „Stil des Hauses“ geben´

Spuhler: Lebendigkeit, Mut, und dass die Zuschauer verstehen und nachvollziehen, warum die gespielten Stücke dringend und von Bedeutung für unsere Zeit sind, das ist mir ein Anliegen. Wir werden zumindest in der Anfangszeit vor jeder Vorstellung eine Inszenierungseinführung anbieten. Ich würde mich sehr freuen, wenn das Publikum mit uns und untereinander ins Gespräch kommt, und dass die Aufführungen nachwirken. Zum Stil des Hauses gehört daher essentiell auch der Bereich, den wir Volkstheater nennen und der die Bevölkerung in vielfältiger Weise in das Theater einbezieht sowie die neue Sparte Junges Staatstheater.

Knut Weber kam als nichtinszenierender Schauspieldirektor nach Karlsruhe und entwickelte hier zusehends den Spaß an der Regie. Sie kommen ursprünglich selbst von der Regie, inszenieren aber als Theaterleiter nicht mehr. Juckt es sie gelegentlich nicht doch, selbst ein Stück auf die Bühne zu bringen´

Spuhler: Ja, es juckt schon immer wieder. Aber die Aufgaben eines Theaterleiters sind heute so umfassend, angefangen vom Abwehren von Sparmaßnahmen über die immer anstehenden Baumaßnahmen bis zur Betreuung des gesamten Hauses, dass ich mir nicht vorstellen kann, auch noch selbst Regie zu führen. Ich inszeniere das Haus.

In Heidelberg traten sie mit einer superjungen Mannschaft als noch junger Intendant an, um das Theater unter schwierigen Umständen vor allem auch einem jüngeren Publikum zu erschließen. Nun gehen sie selbst auf die 50 zu. Ist Verjüngung auch für Karlsruhe ein Thema´

Spuhler: Ich glaube Verjüngung ist hier nicht der richtige Begriff, es geht vielmehr um den Versuch, möglichst viele Menschen zu erreichen, die bisher nicht ins Theater kommen, ungeachtet des Alters. Als hochsubventionierte Institution sind wir verpflichtet, möglichst breit aufgestellt zu sein. Bisher gab es am Badischen Staatstheater in der Regel einmal im Jahr das Weihnachtsmärchen für die kleineren Kinder und dann wieder den für Jugendliche geeigneten Teil des Erwachsenenangebots. Das wiederum hat in erster Linie die Gymnasiasten erreicht. Bei Haupt- und Realschülern etwa klafft eine große Lücke. Im Spielplan des Jungen Staatstheaters decken wir die gesamte Bandbreite vom Zweijährigen bis zu 16 Jahren mit speziellen Angeboten bis hin zur großen Kinderoper und intensiven Schulpartnerschaften ab. Mit der neuen Gruppe der Allerkleinsten arbeitet Annette Büschelberger auf sehr sinnliche Weise, da fallen in einer halben Stunde gerade mal 15 Worte. Das ist ganz wunderbar auch für gestresste Erwachsene.

Just in der vergangenen Spielzeit, kurz vor ihrem Amtsantritt, beabsichtigte die Karlsruher Politik erstmals, den städtischen Zuschuss für das Badische Staatstheater zu kürzen, in vergleichbarem Maße wie die so genannten freiwilligen Zuwendungen an die Kultur gekürzt werden sollten. Haben Sie Verständnis dafür, dass in Politik und Öffentlichkeit mittlerweile eine Gleichbehandlung von staatlichen, städtischen und freien Kulturträgern erwartet wird´

Spuhler: Das für mich Entscheidende ist, dass wir in Karlsruhe bei der Kultur durch unsere Vermittlungsarbeit, die Gespräche und Informationen die Kürzungen von allen abwenden konnten. Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit der freien Gruppen und wir können ganz viel von Ihnen lernen, siehe Rimini Protokoll, mit denen wir gleich zu Beginn der Spielzeit kooperieren. Und ich bin sehr dankbar, dass die Gemeinderäte durch alle Fraktionen großes Verständnis gezeigt haben.

Ist das Theater mit seinem abonnierten Wechsel, der immer neuen Hoffnung, dem flüchtigen Glück, der kränkenden Enttäuschung, den Neuanfängen und vielen Abschieden ein besonders schwieriger Ort zu leben und zu arbeiten´

Spuhler: Das Theater ist ein wunderbarer Ort zu leben und zu arbeiten. Es bietet eine große Familie mit Liebe und Kritik – wie jede Familie - und einen Platz, an dem hart gearbeitet wird, aber auch Träume verwirklicht werden. Es gibt nur immer zu wenig Geld und noch weniger Privatleben. Am Theater zu arbeiten, das muss man schon wollen.