Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 07.2011
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Angriff der Killersprossen

Bild - Angriff der Killersprossen
Gekochte Tomaten ergeben eine Tomatensoße. Ein Tomatensalat ist nur mit frischen Tomaten zu machen. Gekochter Blattsalat ist natürlich Quatsch mit Soße. Aus gekochten Gurken hingegen lässt sich eine Gurkensoße machen, die ausgezeichnet zu Spätzle passt, aber wahrscheinlich nicht nach jedermanns Geschmack ist. Auch ich ziehe die Gurke im rohen Zustand vor: Aufs Brot gelegt, bringt sie einen Hauch feuchte Frische auf Käse und Wurst und ein rechter Gurkensalat ist auch nicht zu verachten. Das Motto „Fleisch ist mein Gemüse“ mache ich mir nicht zu Eigen. Im Gegenteil: Fleisch mit Gemüse – das ist mein Bier, oder so ähnlich. Aber wer hätte je gedacht, dass ausgerechnet Gemüse unter Generalverdacht gestellt wird, dass mal das Gerede von Killer-Gurken die Runde machen würde. Damit haben wohl selbst die kühnsten Science-Fiction-Autoren und die hemmungslosesten Trash-Filmer nicht gerechnet. Ich weiß, es gibt die legendären Killertomaten, aber dabei handelte es sich um mutierte Riesenexemplare, die ganz direkt zum Angriff auf den Menschen übergingen, womit auch immer. „Der Angriff der Killertomaten“ ist eher zum Lachen, zum Gruseln, aber mit mehr als dreißig Toten ist nicht zu spaßen. Und dennoch habe ich mir im Gegensatz zu vieler meiner Mitmenschen selbst auf Höhepunkt der EHEC-Krise meine Ernährungsgewohnheiten nicht geändert. Es gab Salat (ungekocht), Tomaten (gekocht und ungekocht) und Gurken (ungekocht) und zwar nicht nur für mich, sondern für die ganze Familie. Das ist keine Tollkühnheit und auch nicht der Ausfluss eines Gottvertrauens, das ich gar nicht habe, sondern eine Gelassenheit, die durch die statistische Wahrscheinlichkeit genährt wird. Wie groß kann die Gefahr sein sich den gefährlichen EHEC-Keim zuzuziehen, wenn sich von achtzig Millionen potentiellen Gemüseessern gerade mal fünfhundert vergiftet haben und das auch noch ausnahmslos im Norden der Republik. Ich schätze mal, so 0,0 irgendwas Promille. Wenn man dann noch wie gewohnt, das Gemüse vor dem Verzehr gründlich wäscht, dann stellt sich doch die Frage: Tod wo ist dein Stachel´ Gemüse, wo ist dein Bakterium´ Ja, ja, das Leben ist lebensgefährlich und demzufolge das Essen auch. Zum Gaumen kommt auch noch der Nervenkitzel, aber nur bei Zeitgenossen, denen beim Stichwort Pilzesammeln zuerst der Knollenblätterpilz einfällt, die achtlos an dem Bärlauch vorübergehen, der gerade in unserer Gegend an vielen Stellen wächst und gedeiht, aus Angst ihn mit dem ähnlich aussehenden, aber giftigen Maiglöckchen zu verwechseln. Und doch ist es jedes Jahr so, dass ein paar Unglückselige tatsächlich ins Gras beißen, weil sie das eine nicht vom anderen unterscheiden konnten. Wenn es sich dabei nicht um eine merkwürdige, sehr schmerzhafte Form des Selbstmords handelt, dann doch zumindest um eine krasse Form von Geschmacksverirrung. Wie kann jemand, der seine Sinne beisammen hat, den leicht knoblauchartigen Geruch des Bärlauchs mit dem Gifthauch des Maiglöckchens verwechseln. Wer so abgestumpft ist, der ist mit dem Griff zum Fertiggericht im Kühlregal oder dem Besuch bei einer Fast Food-Kette gut bedient. Es stimmt eben nicht, dass das Essen gefährlicher geworden ist, wir erfahren nur weit mehr als früher über alle mögliche Gefahren. Vor zwei Jahren führte mitten im Sommerloch der Fund einer einzigen Giftpflanze in verpackten Rucola zum zeitweiligen Zusammenbruch des Rucola-Marktes in Deutschland. Schon vergessen!´ EHEC wird wohl nicht schnell vergessen werden, schon gar nicht von den Gemüsebauern und Gemüsehändlern, die für etwas abgestraft wurden, was sie nicht zu verantworten hatten. Für sie war auf einmal mitten in der Hochsaison Saure-Gurken-Zeit, nur weil es paar Institutionen allzu gut meinten, mit der Sicherheit des Gemüseessers. Nun stellt sich die Frage, ob die, die sich dadurch beeindrucken ließen, den Wochenlangen Verzicht auf Gurke, Tomate und Salat im Leben je wieder aufholen können. Wahrlich ich sage euch, spätestens mit achtzig Jahren wird sie als Spätfolge des akuten Vitaminmangels das Gefühl einer permanenten Erschöpfung und eine große Lebensunlust befallen. Und nur wenige Jahre später werden sie sterben. Wie bitte´ So geht es doch allen. Stimmt: Aber bis dahin möchte ich wenigstens gerne gut, reichhaltig und vielseitig essen, allen Lebensmittelskandalen, die noch kommen werden, zum Trotz. Prost Mahlzeit!