Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 12.2010
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Tessa Rosebrock

Biografie der Bilder

Bilder erzählen weit mehr, als auf der Leinwand sichtbar ist. Ob Stadtansicht oder abstrakte Farbkomposition, jedes Gemälde birgt Hinweise auf die eigene Geschichte. Von ihr berichten Aufkleber an der Rückseite, handschriftliche Notizen, Nummern und Inventarverzeichnisse. Dieser „Biografie der Objekte“ ist Tessa Rosebrock auf der Spur.

Die Kunsthistorikerin beschäftigt sich seit April an der Karlsruher Kunsthalle mit der Herkunft von Gemälden und Skulpturen, die seit 1933 für das Haus erworben und vor 1945 geschaffen wurden. Woher kommt das Werk´ Stammt es aus dem Künstleratelier oder wurde es im Kunsthandel erstanden´ Hatte es ehemals einen jüdischen Eigentümer´ Mit Hilfe von Eingangsverzeichnissen, Inventarunterlagen und der archivierten Korrespondenz zwischen Museum und Verkäufer klärt die Wissenschaftlerin diese Fragen. „Sehr wichtig sind auch die Vernetzung mit anderen Forschern und der Zugriff auf virtuelle wissenschaftliche Datenbanken“, sagt Rosebrock.

Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe ist eine von derzeit 48 öffentlichen Einrichtungen, die mit Fördermitteln der Bundesregierung in ihren Beständen nach NS-Raubgut suchen. Rosebrocks Stelle wird für zwei Jahre von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin finanziell unterstützt.
Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und bislang nicht zurückerstattet wurden, sollen identifiziert und veröffentlicht werden, um so die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ausfindig zu machen. Zu diesen Grundsätzen bekennt sich Deutschland als Teilnehmerstaat der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust“, die 1998 stattfand. „Jetzt ist der letzte Moment, die Enkelgeneration zu erreichen, Menschen, die noch eine persönliche Erinnerung mit einem Bild verbindet, das ihren Großeltern gehörte“, sagt Rosebrock. 1975 in Schleswig-Holstein geboren, studierte Tessa Rosebrock Kunstgeschichte und Germanistik in München, Paris und Berlin.

Mit der Geschichte der Karlsruher Kunsthalle kam sie bereits im Zuge ihres Forschungsprojekts 2004 in Straßburg in Berührung, wo sie sich mit den Gemäldeankäufen während der deutschen Besatzungszeit 1940 bis 1944 beschäftigte. Kurt Martin, seit 1934 Direktor der Kunsthalle Karlsruhe, war ab 1940 als Generaldirektor der Oberrheinischen Museen auch für das besetzte Elsass zuständig. Nächstes Jahr erscheint Rosebrocks Dissertation „Kurt Martin und das Musée des Beaux-Arts de Strasbourg - Museums- und Ausstellungspolitik am Oberrhein im „Dritten Reich“ und in der unmittelbaren Nachkriegszeit“. Martin, der kein NSDAP-Mitglied war, habe sich Freiräume geschaffen und sie verteidigt, so Rosebrocks Fazit. „Er hat sich nicht persönlich bereichert, und er hat nie auf Auktionen gekauft, denn die Ware dort war im Zweifelsfall nicht freiwillig eingeliefert worden“. Für 2012 plant die Kunsthalle eine sammlungsgeschichtliche Ausstellung, die auch Ergebnisse der Provenienzforschung am Hause vorstellen wird. „Es ist schön, dass ich meine Arbeit in Karlsruhe mit einem kuratorischen Projekt beschließen kann“, sagt Rosebrock. (Foto: Maike Hohn, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe) - afr