Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 11.2010
Verschiedenes Meldungen

 

Invasion

Krokodile in Karlsruhe´


„Schätzungsweise 600.000 Ratten gibt es in Karlsruhe, für Großstädte rechnet man zwei pro Einwohner“, sagt der Biologe Mario Ludwig im Gespräch. Und zwar handelt es ich dabei nicht um die alt eingesessene Hausratte, sondern um Wanderratten, die sich das deutsche Terrain erobert haben, weil sie eingeschleppt wurden.


„Invasion. Wie fremde Tiere und Pflanzen unsere Welt erobern“, so heißt der Titel seines neuen Buches. Gerade am Oberrhein „kann aufgrund der Klimaerwärmung einiges auf uns zukommen“, meint Ludwig. Schon bei uns sind nicht nur possierliche Erscheinungen wie das Taubenschwänzchen, ein kleiner Schmetterling, der gerne mit dem Kolibri verwechselt wird, sondern auch die unangenehmen Tigermoskitos. Gelb- oder Denguefieber können die Plagegeister übertragen, in Italien haben sie gar schon eine kleine Epidemie mit 300 Infizierten und einem Toten ausgelöst.

Wie die meisten eingewanderten Tiere, wurde auch der winzige Blutsauger aus den Tropen vom Menschen eingeschleppt, und so wundert es nicht, dass ausgerechnet auf einem Autobahnparkplatz in der Nähe von Rastatt erstmals fünf Moskitoeier von findigen Biologen entdeckt wurden. Im Gepäck von Passagieren oder im Ballastwasser von Schiffen, das von Kontinent zu Kontinent, von Hafen zu Hafen „reist“, verstecken sich die unfreiwilligen Migranten, erklärt Ludwig, die Wollhandkrabbe hat sich wohl auf die letztgenannte Art und Weise nach Europa verfrachten lassen, während das allergieauslösende, gefährliche „Unkraut“ Ambrosia per Vogelfutter in die heimischen Grünanlagen kam. Die genannte Wanderratte reiste wahrscheinlich schon im 16. Jahrhundert als Begleiterin der Karawanen ein, die über die Seidenstraße zogen. Übrigens kam der ätzende und sogar Verbrennungen verursachende Riesen-Bärenklau - früher in Botanischen Gärten zur Zierde angepflanzt - zu einer ganz besonderen Ehre: Die Gruppe „Genesis“ setzte ihr mit dem Song „Return of the Giant Hogweed“ 1971 ein musikalisches Denkmal.


Mario Ludwigs Naturbücher erreichen große Auflagen. Bislang hat er sich mit eher amüsanten oder spektakulären Aspekten der Natur beschäftigt. „Papa ist schwanger“, heißt ein Buch, das sich mit Sex bei Tieren befasst, ein anderes thematisiert die „verrücktesten Tierstimmen der Welt“ inklusive beigelegter CD. Sein Fachwissen ist in Funk und Fernsehen gefragt. „Mein neues Thema ist noch spannender“, so Ludwig, „weil die Rolle des Menschen beleuchtet wird.“
„Von hundert eingeschleppten Arten überleben kurzzeitig zehn, einer davon siedelt sich dauerhaft an“, rechnet der „Wald- und Wiesenbiologe“ (Ludwig über Ludwig) vor. Ein Promille der eingeschleppten Arten bedroht gar heimische Flora und Fauna oder richtet wirtschaftliche Schäden an.

Klimawandel und globaler Warenaustausch haben uns aber auch frei lebende Chile-Flamingos, Nandus oder Papageien-Kolonien in Großstädten beschert.

Zu einer regelrechten Massenvermehrung kam es übrigens beim „Indischen Springkraut“, das im Spätsommer und Herbst an sämtlichen mitteleuropäischen Bächen und Auengebieten viele einheimische Arten verdrängt hat. Die Pflanzen galten früher als Zierde und kamen erst vor gut 80 Jahren nach Deutschland.
Noch aber ist bei uns wegen den Migranten aus dem Tier- und Pflanzenreich noch keine heimische Art ausgestorben, betont Ludwig, der das Phänomen durchaus differenziert sieht, aber: „Es können uns noch Überraschungen bevorstehen, wenn nicht morgen, dann übermorgen.“ maske

Mario Ludwig: Invasion. Wie fremde Tiere und Pflanzen unsere Welt erobern. Ulmer-Verlag, 186 Seiten

Weiterführende Links

Weitere Infos