Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 07.2010
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Franz Littmann

Über Johann Peter Hebel

Der Literatursommer Baden-Württemberg widmet sich in diesem Jahr dem Leben, dem Werk und der Wirkungsgeschichte von Johann Peter Hebel, den vor 250 Jahren geborenen Verfasser der berühmten Kalendergeschichten und der etwas weniger berühmten Mundartgedichte, die aber für den alemannischen Sprachraum folgenreich waren. Das über 130 Programmpunkte umfassende Programm mit 55 verschiedenen Spielorten ist hier nicht darstellbar. Da lohnt sich der Blick auf die Webseite www.literatursommer.de.

Eine wichtige Rolle bei der Beschäftigung mit Hebel spielt der ehemalige Klappe Auf-Mitarbeiter Franz Littmann, ein ausgewiesener Hebelexperte. Er hat ein Buch über Hebels Alemannische Gedichte („Handorakel der Lebenskunst“) und eine Hebel-Biografie geschrieben, die Texte für die große Hebel-Ausstellung in Lörrach verfasst und er arbeitet derzeit an der Herausgabe einer Hebel-Gesamtausgabe. Klappe Auf sprach mit ihm.

Wann bist du Hebel zum ersten Mal begegnet und wie hat sich dein Verhältnis zu ihm entwickelt´
Franz Littmann: Zum ersten Mal intensiver beschäftigt habe ich mich mit Hebel im Verlauf meiner Mitarbeit für ein Ethik-Schulbuch. Heute ist er für mich vor allem deshalb wichtig, weil man bei ihm das lernen kann, was Sloterdijk auf die Tagesordnung gesetzt hat: „Du musst dein Leben ändern!“ Wie man das macht, „sinnerfüllt“ zu leben seine Seelenruhe zu finden usw. – und nicht nur Konsument, Verbraucher zu sein ,also das, was der überhaupt nicht gesunde Menschenverstand in der Moderne erwartet-, dazu findet man reichlich Material in seinem Werk.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Literarischen Gesellschaft und der Arbeit an der Hebel-Gesamtausgabe´
Franz Littmann: Schon vor 10 Jahren hatten Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Jan Knopf und ich die Idee, das zu realisieren, was Walter Benjamin schon 1926 anmahnte: Man sollte Hebel endlich in einer Gesamtausgabe lesen können. Dieses Ziel erreichen wir vermutlich am Ende diesen Jahres; auch deshalb, weil wir ein phantastisch gutes Team sind.

Gab es bei den Recherchen irgendwelche Entdeckungen oder Überraschungen´
Franz Littmann: Ja, wir haben die Exzerpthefte Hebels, die rund 200 Jahre im Archiv unveröffentlicht vor sich hin dämmerten, transkribieren lassen und werden sie in der Gesamtausgabe publizieren. Zwar gab es in der Forschungsliteratur vereinzelte Hinweise, aber im Großen und Ganzen weiß bis heute niemand so genau, was in diesen Exzerptheften drinsteht. Für das Verständnis von Hebels Weltanschauung sind sie von allergrößter Bedeutung.

Warum sollte man Hebel heute lesen´
Franz Littmann: Hebels Werk ist, worauf der Titel unserer „Exzerpthefteausstellung“(zu sehen in der Badischen Landesbibliothek) anspielt, eine „Anleitung zum Selberdenken.“ Hebel fordert mit seinen Kalendergeschichten den selbstständigen, mündigen, eigenverantwortlichen Leser heraus - genau das, was der Kapitalismus am allerwenigsten brauchen kann. Überall in der Gesellschaft gibt es eine Tendenz zum „betreuten Denken“. Hebel heute zu lesen, ist die richtige Therapie gegen diesen Ungeist unserer Zeit