Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 01.2010
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Fahrradstadt Karlsruhe

Gespräch mit Johannes Schell

Am 25. Oktober 2005 beschloss der Karlsruher Gemeinderat ein
20-Punkte-Programm mit dem Ziel den Radverkehrsanteil in Karlsruhe bis 2012
von 16 auf 21% zu steigern, bzw. bis 2015 sogar auf 23%. Zu diesen 20
Punkten gehört es eine verkehrssichere Radverkehrsführung zu gewährleisten.
Pro Jahr sollen demnach bis 2012 mindestens zwei Stadtteilrouten komplett
hergerichtet werden. Nun nach über vier Jahren ist es Zeit, eine
Zwischenbilanz zu ziehen und KlappeAuf sprach mit Johannes Schell, der beim
Stadtplanungsamt für die Radverkehrsplanung zuständig ist.

Die Zunahme an Fahrradwegen in Karlsruhe ist nicht zu übersehen,
Fahrradstraßen werden neu eingerichtet, neue Fahrradständer im Stadtgebiet
installiert. Ist schon eine statistisch belegbare Zunahme an Fahrradnutzern
zu verzeichnen´
J. Schell: Gesicherte Zahlen gibt es bisher keine, erst im Jahr 2012 bei der
alle zehn Jahre anstehenden Haushaltsbefragung werden wir genaueres darüber
wissen. Bei Umbaumaßnahmen gibt es jedoch vorher und nachher Zählungen. Dort
ist schon ein deutlicher Zuwachs an Fahrradnutzern zu erkennen,
Beispielsweise hat die Rheinstraße eine 50%ige Steigerung erfahren und dies
dauerhaft und nicht nur zu Beginn, wo viele diese Strecke erstmals
ausprobieren. Oder bei der Weiherfeldbrücke: Ohne bauliche Veränderung stieg
die durchschnittliche Nutzung von 2007 auf 2008 um 1400 Fahrradfahrer pro
Tag, ein Indiz dafür, dass Radfahren in Karlsruhe in den letzten Jahren
attraktiver wurde.

Immer wieder kommt es zu Unmutäußerungen von Autofahrern und Fahrradfahrern,
die sich beide im Recht sehen. Gerade auf der Rheinstraße (am Entenfang) ist
die Trennung zwischen Auto und Fahrradspur nicht klar ersichtlich. Wäre es
nicht sinnvoller gewesen dort auch den Weg einer klaren Trennung in Fahrrad
und Autospur zu gehen´
J. Schell: Gerade an diesem Abschnitt war der Spielraum sehr eng gesteckt.
Es galt die KFZ-Leistungsfähigkeit zu erhalten und auch die
Parkmöglichkeiten mussten erhalten bleiben. Zunächst wurden im Rahmen eines
einjährigen Verkehrsversuches ausführliche Untersuchungen und Videoanalysen
vorgenommen. Dabei stellte sich heraus, dass sich durch den Schutzstreifen
für Radler die Sicherheitsabstände zu den parkenden Autos deutlich erhöht
haben. Und statt 40% überschreiten "nur" noch 20% der Autofahrer die
zulässige Höchstgeschwindigkeit. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurde
der Versuch inzwischen in eine Dauerlösung umgewandelt. Aber die
Gewöhnungsphase braucht seine Zeit.

Auch die Existenz von Einbahnstraßen, die Fahrradfahrer in beide Richtungen
nutzen können scheint vielen Autofahrern nicht bekannt. Müssten diese nicht
besser gekennzeichnet werden um ein streitloses Miteinander zu
gewährleisten´
J. Schell: Darüber müsste noch mehr informiert werden, gerade Autofahrern
die ihren Führerschein vor 1997 gemacht haben ist die Möglichkeit der
beidseitigen Nutzung der Einbahnstraßen für Radfahrer oft nicht bekannt.
(Anm. der Redaktion: damals wurde die Öffnung von Einbahnstraßen in der
Straßenverkehrsordnung zugelassen). In Karlsruhe sind ungefähr die Hälfte
der Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung frei. Wichtiger als
weitere Schilder sind jedoch gegenseitige Toleranz und Rücksichtsnahme.
Die Fahrradstrasse in der Sophienstraße wird gut angenommen und trägt zu
einem entspannteren Miteinander aller Verkehrsteilnehmer bei. Ist eine
Ausweitung dieses Modells Richtung Osten geplant´
J. Schell: Es wird noch geprüft ob es diese Möglichkeit
gibt. Dazu werden im Frühjahr Zählungen der Rad- und Autofahrer in der
Sophienstraße vorgenommen. Das Ergebnis wird dann im Sommer im
Planungsausschuss des Gemeinderates vorgestellt.

Wie sehen Sie die Stadt Karlsruhe in 5 bzw. 10 Jahren beim Thema Fahrrad
aufgestellt, auch mit Hinblick auf das bundespolitische Ziel der Co2
Reduktion. Ist es heute leichter Neuerungen pro Fahrrad durchzusetzen als es
noch vor einigen Jahren gewesen wäre´
Durch das 20-Punkte-Programm von 2005 ist die Basis gelegt. Politisch gibt
es durch alle Fraktionen Rückhalt. Dies erlaubt ein gutes Arbeiten und die
Ziele bis 2015 sind klar definiert. Es geht darum messbare Ziele zu
erreichen und die konkreten Maßnahmen dazu sind beschlossen. Die Situation
im Radverkehr ist bereits heute deutlich besser als vor vier Jahren. Als
Anerkennung hat die Stadt ja dieses Jahr vom Bundesumweltministerium die
Kampagne "Kopf an. Motor aus." gewonnen.

In der Stadt stehen an allen möglichen Orten Bundesbahnleihfahrräder. Wer
trägt die Kosten hierfür´ Und wurden auch andere Leihmöglichkeiten in
Erwägung gezogen, z.B. mit festen Fahrradständern an relevanten Orten in der
Stadt´
Der städtische Zuschuss beträgt pro Jahr 150.000 Euro, dies ist durch
Werbung gegenfinanziert. Auch andere Fahrradleihsysteme wurden begutachtet.
Doch letztendlich erschien das Call a bike-System am schlüssigsten. Für
Karlsruhe ist auch ein System ohne feste Stationen sinnvoller da hier eine
große Haltestellendichte der Straßenbahnen besteht, d.h. die Fahrräder
müssen besonders flexibel einsetzbar sein.

Noch eine Frage, zum in Leserbriefen immer wieder angegriffenen Projekt des
Radweges auf der Herrenalberstraße in Rüppurr. Wie geht es dort nun weiter´
Vorweg muss gesagt werden, die Idee des Radweges entstand aus dem
ursprünglichen Wunsch der Rüppurrer, die Trennwirkung der Herrenalberstraße
zu minimieren. Verkehrsbeobachtungen ergaben, dass stadtauswärts ein
Fahrstreifen entfallen könnte, so dass sich die Frage stellte, wie die
gewonnene Fläche genutzt werden könnte. Es gab auch den Gedanken einen
Grünstreifen anzulegen. Man hat sich für einen Radfahrstreifen entschieden,
der zunächst für ein Jahr versuchsweise angelegt wurde. Außerdem wurden die
Aufstellflächen für Fußgänger an der Haltestelle Ostendorfplatz verbreitert,
was vor allem Schulkindern zu Gute kommt und an der Battstraße wurde eine
ebenerdige Fußgängerfurt eingerichtet. Sobald die Untersuchungsergebnisse
vorliegen, wird im Sommer 2010 entschieden, wie es weitergeht.