Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 08.2008
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Rainer Kehres / Sebastian Hungerer

Lichtkunst

„Die Passion für Lampen teilen wir schon lange“, sagen sie. Rainer Kehres und Sebastian Hungerer haben sich bei Auftragsarbeiten für das ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie) kennen gelernt und schnell ihr gemeinsames Faible für Leuchten entdeckt. Ob Bauhaus-Gestaltung, Kaufhaus-Kitsch oder spaciges Design der 1960er - ihre Leidenschaft für die Vielfalt und teils skurrilen Erscheinungsformen ist mittlerweile durch eine reiche Kenntnis der Design-Geschichte unterfüttert.
„Bestimmt 3.500 Lampen“ nennen sie ihr Eigen. Aber: „Wir sind keine Sammler“, betonen sie. „Was für den Maler Farbe und Pinsel sind für uns Lampen und Leuchten.“ Die künstlerische Verarbeitung dieses Materials sorgte bei der legendären Lichtkunst-Ausstellung des ZKM 2005/06 für staunende Begeisterung. Kaum jemand, der sich nicht von der Installation „Space Invaders“ aus 176 im Foyer rasterartig an Drahtseilen befestigten Lampen faszinieren ließ. Sie bildeten einen elf mal 14 Meter großen Vorhang, der die Originalität der einzelnen Leuchten zu einer nahezu wesenhaften Ganzheit aus Licht, Formen und Farben komponierte, deren Schönheit die Besucher aus unterschiedlichen Perspektiven immer aufs Neue erkundeten. Es war die bislang größte und aufsehenerregendste Arbeit des Künstlerduos.

Sebastian Hungerer, gelernter Schreiner und an der Uni Karlsruhe ausgebildeter Architekt, hatte zwei Jahre in China und Taiwan gearbeitet, bevor die ersten gemeinsamen Lichtinstallationen, zunächst parallel zu seiner Arbeit in einem Stuttgarter Innenarchitekturbüro, entstanden.

Rainer Kehres, der in Karlsruhe Musikwissenschaft studiert hat, führten Solo-Auftritte als Gitarrist zum Thema Licht: „Der beste Raum kann durch überdrehten Lichteinsatz kalt gemacht, der miserabelste mit wenigen Mitteln zum Leben erweckt werden“. So war zunächst die Idee, das eigene Bühnenlicht zu entwerfen, ausgehend von der Lichtstimmung nächtlicher Übungsstunden zuhause und dem Experimentieren mit Wohnraumleuchten.

Die Beschäftigung mit Licht und Raum verselbständigte sich zunehmend und führte nach ersten Auftragsarbeiten für das ZKM zu gemeinsamen Installationen etwa beim „Fest“ in der Günther-Klotz-Anlage, bei einer Sommerausstellung der Kunstakademie und zur Teilnahme an der art Karlsruhe 2008.

Neben der Ästhetik ihres ‚Werkstoffs´ interessieren sich die Karlsruher Künstler für die Geschichte der jeweiligen Leuchte. „Sie verleiht jeder Lampe über ihren Objektcharakter hinaus eine wesentliche Eigenschaft. Ob wir eine Lampe auf dem Flohmarkt kaufen oder über Ebay, wir versuchen immer ihre Geschichte zu erfahren“. Erinnerungen an Lampen der eigenen Wohnbiografie sind es auch, die Unbekannte über die Generationen hinweg ins Gespräch bringen, wenn sie sich beim Betrachten einer Lichtskulptur von Kehres und Hungerer begegnen.
Dieses Zusammenkommen individueller Erfahrung mit der kollektiven Erinnerung beinhalte auch die Idee einer ‚sozialen Plastik´ im Sinne von Joseph Beuys, so Galerist Clemens Thimme. In dessen Räumen in der Karlsruher Schützenstraße 19 ist noch bis zum 12. ihre Installation „Kopfende“ zusehen: eine die Schaufenster füllende Installation aus 108 Nachttischlampen, die von 15 bis 1 Uhr einen Läufer aus Licht erscheinen lässt und dann bis 4 Uhr im Dimmerlicht glimmt.
Auch in ihrer Arbeit „Space Invaders“ haben die Künstler die Ursprungsversion eines flächig leuchtenden Vorhangs mit interaktiven Optionen ausgebaut, indem der Besucher über eine Kamera zugleich Akteur von Lichtimpulsen wurde. „Ermöglicht wurde das Projekt durch die Unterstützung des ZKM und die Programmierung von Friedemann Wolpert“.

Dem international erschienenen ZKM-Katalog „Lichtkunst aus Kunstlicht“ verdanken die Künstler auch ihren jüngsten Auftrag, den sie zur Zeit in den USA ausführen. Die Pulitzer Foundation for the Arts wurde durch die Publikation auf die beiden aufmerksam und hat sie eingeladen, in St. Louis den dachlosen Raum einer ausgebrannten Kirche mit einer Installation zu bespielen. Verbunden mit diesem Lichtprojekt schlugen die Künstler vor, das lokale gemeinsame „Lampengedächtnis“ durch Spenden aus Privathaushalten zusammenzuführen, außerdem arbeiten sie mit Schülern und Studenten der Stadt an einem weiteren Lichtkunstprojekt. „In der Kulturgeschichte des künstlichen Lichts ging es vorrangig um die Möglichkeit länger zu produzieren, Waren zu verkaufen und um Sicherheitsaspekte“, sagt Kehres. Diesem Verwertungsgedanken setzt das Duo in seinen Kunstwerken etwas entgegen: Licht, das Menschen zusammenbringt. afr

Link-Tipps:
www.commonlights.com
www.pulitzerarts.org/events
www.galerie-thimme.de