Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2008
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Schöner sterben im Kino

„Tod, wo ist dein Stachel´ Hölle, wo ist dein Sieg´“ So steht es trotzig im Korintherbrief. In den Jahrhunderten, die seitdem vergangen sind, ist die Menschheit in der Bekämpfung der Sterblichkeitsrate kein Stück vorangekommen.
Wir leben zwar in der Regel länger, aber noch immer kommt auf einen Lebenden ein Toter. Um uns mit der Endlichkeit unseres irdischen Daseins zu versöhnen, hat die Menschheit die Religion und die Literatur erfunden: die Religion, um das Leben über das irdische Dasein hinaus ad ultimo zu verlängern, wenn auch in einer anderen, unseren Sinnen verborgenen Welt, die offenbar ein unendliches Fassungsvermögen hat; die Literatur, um die Dinge des Lebens, wozu auch der Tod gehört, in der Fiktion für uns verfügbar zu machen, zum Gestalter unseres Geschicks zu werden. In der Literatur wird der Tod nicht geleugnet, er wird aber mit einem Hauch vom Sinn versehen, ja, er wirkt manchmal geradezu sinnstiftend, man denke nur an das meistgelesene Buch der Welt, die Bibel, und den schmerzensreichen Abgang der Hauptfigur des Neuen Testaments. Ein Erlöser, der alt und satt mit Frau und Kind ein glückliches Leben führt – undenkbar!! Mit Jesus ist allerdings das Thema Wiederauferstehung für die christliche Hemisphäre ein für allemal besetzt.
Wer seine Romanhelden wiederauferstehen lässt, macht sich der Blasphemie schuldig und zugleich lächerlich. Wiederauferstehung können die Menschen nur als Spottgeburten, nämlich als tapsige Zombies, und ewig leben nur als bleiche Schloßbewohner mit Überbiss und verquerem Biorhythmus, die nachts umhergeistern, tagsüber schlafen – und das auch noch in einem Sarg.
Damit bin ich jetzt endlich bei meinem eigentlichen Thema, dem Tod im Kino. Doktorarbeiten wurden schon darüber geschrieben und Filmseminare dazu abgehalten. Das ist ja auch kein Wunder, schließlich wird im Film, zumal im Actionfilm, massenhaft gestorben. Wer zählt die Leichen, die die den Weg von John McClane (Bruce Willis) und John Rambo (Sylvester Stallone) pflastern´ Und wozu auch´ Sie zählen nicht, es sind Schießbudenfiguren, deren Tod am Helden ebenso spurlos abperlt wie am Zuschauer. Kaum bekommt man sie zu Gesicht, sind sie auch schon wieder weg vom Fenster.
Etwas anderes ist es, wenn der Tod ein individuelles Gesicht bekommt, wie vor kurzem zu sehen in den Filmen „PS. Ich liebe dich“ und „Kirschblüten – Hamani“. Die zwei Filme haben bei aller Unterschiedlichkeit etwas gemeinsam: Sie versuchen dem Tod und dem Sterben den Schrecken zu nehmen - und sie tun dies auf eine ziemlich verlogene Weise.
In „PS. Ich liebe Dich“ bringt ein lebenslustiger, aber todkranker Ire das Kunststück fertig, ehe ihn der Gehirntumor in der Blüte seines Lebens dahin rafft, seine trauernden US-Gattin posthum Lebensmut einzuflössen, indem er ihr auf raffinierte Weise Nachrichten zukommen lässt und ihr darin Aufgaben stellt, die die junge Witwe wieder fit fürs Leben und für eine neue Liebe machen. Über den Realitätsgehalt dieser Geschichte muss man sich nicht weiter unterhalten. „PS. Ich liebe Dich“ ist wie der Bestseller, auf dem der Film basiert, pure Wunscherfüllung mit einer Träne im Knopfloch. „Ich wünschte mir auch einen Toten, der sagt wo´s lang geht“, stellt die Schwester der Heldin fest und spricht dem überwiegend weiblichen Publikum damit aus dem Herzen. Damit der Film funktioniert, muss er über die Realität von Krankheit, Sterben und Tod großzügig hinwegsehen.
Doris Dörrie schickt in ihrem neuen Film ihre Heldin Trudi (Hannelore Elsner) auf diesem Wege ins Off und Witwer Rudi (Elmar Wepper), der nicht weiß, dass er todkrank ist, tritt danach allein die Reise nach Japan an, um einen Jugendtraum seiner Frau zu erfüllen. Dass die nichts mehr davon hat, juckt weder die immer selig lächelnde Doris Dörrie noch das überwiegend angetane Publikum und die bei diesem Film ausgesprochen handzahme deutsche Kritik.“Es ist nie zu spät, seine Träume zu vollenden“ lautet die Botschaft des Films und dabei gucken die erwachsenen Kinogänger so gläubig und treuherzig wie ein Kind, dem die Eltern erzählen, dass die tote Oma vom Himmel aus zuguckt, wenn es seine Geburtstagsgeschenke auspackt.
Die Oma ist nicht im Himmel, sie vermodert in der Erde, falls sie nicht verbrannt wurde. Diese Wahrheit ist Kindern möglicherweise nicht zuzumuten, Erwachsenen aber sehr wohl. Weit wahrhaftiger als dieser Schmus (wenn auch zugebenermaßen nicht sehr differenziert) ist der Untertitel des deutschen Zeichentrickfilms „Das Kleine Arschloch und der Alte Sack“. Er lautet „Sterben ist scheiße“. Die oben genannten Filme aber versuchen Scheiße wie Schokoladenpudding aussehen zu lassen.