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Archiv: 12.2007
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Tschüss Münte

– und komm nicht wieder

Bild - Tschüss Münte
Ganz Deutschland trug Trauer, als Franz Müntefering (kurz: Münte) verkündete, dass er von seinem Posten als Arbeitsminister und damit auch vom Amt des Vizekanzlers der Großen Koalition zurücktreten werde, um sich fürderhin seiner krebskranken Frau zu widmen.

Danach gab es kaum eine Nachrichtensendung und keine Zeitung, die ihm, dem Scheidenden, nicht herzliche Worte hinterherschickte, Worte des Bedauerns über den Verlust des letzten wahren Sozialdemokraten, dem der Stallgeruch vor allem von jenen bescheinigt wurde, die sonst mit der SPD nichts am Hut haben.
Die hehren Worte, die in der Berliner Morgenpost zu lesen waren, sind exemplarisch für den Tenor der gängigen Kommentare: „Wie wenige verkörperte Müntefering das kostbarste Gut der Politik: Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit.“

Oh heiliger Franz, erfüllt es Dich lieber Genosse nicht mit Stolz, dass Du es bis zum Schluss geschafft hast, Dein Image als ehrliche Haut aufrechtzuerhalten, obwohl es doch offensichtlich ist, dass Dein Reden und Handeln, gelinde gesagt, nicht immer übereinstimmt.

In bleibender Erinnerung ist die „Heuschrecken“-Rede vom April 2005, als sich die SPD in einem absoluten Stimmungstief befand. Mit dem heiligen Zorn eines alttestamentarischen Propheten geißelte Münte das Treiben ausländischer Investoren, die deutsche Firmen aufkauften, um sie auszuschlachten und dann das was übrig geblieben ist, mit ausgedünnten Personal, weiterzuverkaufen. Es blieb natürlich nicht unbemerkt, dass Müntefering die Politik mitgestaltet hat, die diese Private-Equity-Gesellschaften ins Land gelockt hat, zum Beispiel durch den Wegfall der Besteuerung von Gewinnen, die beim Verkauf von Unternehmensanteilen erzielt werden. Sogar die Union hatte gefordert diese Steuer wieder einzuführen, um den Steuerausfällen und auch dem Treiben der Investoren Grenzen zu setzen. Die SPD tat nichts dergleichen.
Ganz klein wurde die Aussage eines führenden Sozialdemokraten vermeldet, dass eine solche Rücknahme wie das Eingeständnis eines Fehlers wirken könne. Nicht groß raus kam auch die Meldung, dass Müntefering in seiner Zeit als Bundesverkehrsminister die Bundesanteile an 300 Tankstellen und 330 Gastronomiebetrieben entlang der deutschen Autobahnen an ein Firmenkonsortium verkaufte, das sich später - als Kapitalismuskritik in der SPD auf einmal wieder opportun war - auf der so genannten Heuschrecken-Liste wiederfand.

Ich habe bislang nichts aus Müntes Mund gehört, das diesen Widerspruch zwischen öffentlicher Rhetorik und politischem Handeln auflösen könnte. Aber ist ja auch egal. Wenn man es fertig bringt, dass man mit dem Markenzeichen Charakterfestigkeit trotz erwiesener Biegsamkeit weiterhin im politischen Geschäft bleibt, was kümmert einem da das eigene Geschwätz von gestern.
Müntefering hat die neoliberalen Reformen von Gerhard Schröder, über deren Sinn und Wirkung man streiten kann, verbal sozialdemokratisch verkleistert und verkleidet. Nicht alle sind darauf reingefallen, wie die letzten Wahlen gezeigt haben, aber trotzdem blieb in der veröffentlichten Wahrnehmung das Etikett ehrlich und gradlinig an ihm haften, gewissermaßen unabwaschbar.

So ist es auch zu erklären, wie widerspruchslos es hingenommen wurde, dass Müntefering sein Bundesabgeordnetenmandat nicht aufgibt. Soll das etwa bedeuten, dass sich die Abgeordnetentätigkeit so nebenbei erledigen läßt oder auch links liegen gelassen werden kann, weil es keine Sau interessiert, was der gewählte Parlamentarier in Berlin so treibt´ Und das in einer Zeit, in der landauf, landab Bundestagsabgeordnete beteuern, dass sie einen “Fulltime-Job“ leisten, mit 50, 60 Stunden pro Woche und mehr, Wochenendterminen und riesiger Verantwortung, um die selbst genehmigte kräftige Diätenerhöhung zu rechtfertigen. Ich bezweifle dass in der Regel nicht einmal.
Aber, wenn dem so ist, dann steht doch auch fest, dass Müntefering, der aus verständlichen Gründen seiner Frau nahe sein will, das Abgeordnetenamt allenfalls als Halbtagsjob betreiben kann, wohl aber mit voller und zudem aufgestockter Bezahlung.
Wäre es da nicht viel konsequenter und ehrlicher gewesen, auch auf den Sitz im Bundestag zu verzichten, wenn man ihn nicht mehr ausfüllen kann´

Ein Normalbürger, der sich entschließt aus dem Berufsleben auszuscheiden, um einen kranken Angehörigen zu pflegen, befindet sich in weit weniger komfortabler Lage. Aber so ist es nun mal mit „großen“ Politikern die Abschied nehmen, sie können halt doch nicht ganz von der Politik lassen. Helmut Kohl hat dicke Bücher über seine Kanzlerjahre geschrieben. Ich nehme an für die politischen Leistungen in der Zeit danach, die er als einfacher Bundestagsabgeordneter mehr oder minder abgesessen hat, reicht ein doppelseitig beschrifteter Bierdeckel.

Warum wurde Müntes Abgang dann so ausführlich beweint und beklagt´ Ganz einfach: Den Medien fehlt nun der Darsteller auf der Politbühne für die Charakterfächer „Harter Knochen“ und „Urgestein“. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Neubesetzung kaum möglich ist.

Dass kann nur bedauern, wem der Unterhaltungswert von Politik wichtiger ist als ihre praktischen Konsequenzen.