Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 06.2007
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Habemus Überdruss

Bild - Habemus Überdruss
„Der Papst privat“ so lautete der vielversprechende Titel eines Fernsehberichts, der anläßlich des achtzigsten Geburtstags von Joseph Ratzinger, mittlerweile besser bekannt unter seinem Künstlernamen Benedikt XVI., versendet wurde.

Noch vielversprechender war der suggestive Untertitel, der versprach den Papst so zu zeigen, „wie man ihn noch nie gesehen hat“. Papa Ratzi in Unterhosen oder gar nackt´ Derart unkeusche Gedanken durchzucken für einen Augenblick den mäßig gläubigen Kirchensteuerzahler bei solchen Ankündigungen.Und dann noch dieser atmosphärisch dichte Einstieg: „Der Vatikan an einem Mittwochmorgen. Schon bald ist es vorbei mit der Beschaulichkeit und man weiß nicht, wer die Mehrzahl stellt – Touristen und Schaulustige oder Pilger. Letzeres ist wahrscheinlich – denn Mittwoch ist immer Audienztag. Eine Gelegenheit dem Papst tatsächlich zu begegnen (...). Der Einblick am frühen Morgen in den Papstgemächern des Apostolischen Palastes überrrascht“. Und was gibt es jetzt Überraschendes zu sehen: Den Papst beim Knuddeln mit seinem schon ziemlich abgewetzten Lieblingsteddy´ Bei der allmorgendlichen Lektüre der „Bild“-Zeitung´ Beim Frühstück mit seiner Familie´ Aber nein!! Man sieht wie sich der Papst ein liturgisches Gewand anlegt bzw. anlegen läßt. Und ähnlich überraschungsfrei, lammfromm und verschnarcht geht es weiter. Sätze wie „Später erneut in der päpstlichen Kapelle – der Papst ganz allein mit sich und Gott“ und „Die eine Stunde am Nachmittag in den vatikanischen Gärten widmet Papst Benedikt seinem Lieblingsgebet, dem Rosenkranz.
Denn der ist ganz sicher Bestandteil, wenn nicht gar Wurzel seines Glaubens“, dringen noch von ferne an das Ohr des mehr und minder geneigten Zuschauers, den eine unendliche Müdigkeit befällt und der bald darauf einfach weggeratzt ist. Wenn der Vatikan tatsächlich eine Art Öffentlichkeits – oder Promotionabteilung unterhält, dann leistet sie entweder verdammt (!) gute Arbeit oder es ist so, dass, zumindest was den deutschen Sprachbereich angeht, ARD, ZDF und „Bild“-Zeitung deren Arbeit einfach übernommen haben. Für Gottes Lohn gewissermaßen. Das erstaunt bei öffentlich-rechtlichen Sendern, die sich den kritischen Journalismus auf die Fahne geschrieben haben, und das ist grotesk und bizarr bei einer Zeitung, die fortwährend an die niedrigen Instinkte ihrer Leserschaft appelliert, sich aber nicht scheut ein Bild des Papstes, ihres Papstes („Wir sind Papst“), neben das des nackten Mädchens von Seite 1 zu setzen.
Wohlgemerkt: Ich habe nichts gegen nackte Mädchen und auch nichts gegen diesen Papst, er macht seinen Job gut, er verkauft sein Produkt prima. Er schreibt sogar Bücher, die wie sein Jesus-Buch zu Bestsellern werden und nun in Hunderttausenden deutschen Haushalten verstauben, weil kaum ein Schwein die Schwarte lesen wird. Was die Theologie angeht, so ist über deren wissenschaftliche Grundlage mit den schönen Worten „Gottes Wege sind unerforschlich“ eigentlich alles gesagt. Dennoch bestreite ich nicht, dass Joseph Ratzinger ein kluger Mann ist – im Gegensatz zu den allermeisten Gläubigen, habe ich seine umstrittene „Regensburger Rede“ gelesen. Aber ich denke nicht, dass einer, der bei seinem Besuch in Brasilien, einem Land, in dem Millionen Menschen in erbarmungswürdigen Blechhütten hausen, nicht Besseres zu tun hat, als die Jugendlichen zur Keuschheit aufzufordern und das Sakrament der Ehe zu beschwören, dass so einer irgendetwas zur Praxis des alltäglichen Lebens zu sagen hat, das er ohnehin nur vom Hörensagen kennt. Nein, es geht mir nicht um diesen Papst, es geht mir um die heiligmäßige Berichterstattung, die sich seit Woitylas Abgang und Ratzingers Amtsantritt in diesem Land breitgemacht hat. Könnte es nicht sein, dass der in diesem Winter, der keiner war, und in diesem Frühling, der sich wie ein Sommer anfühlte, spürbare und oft beschworene Klimawandel nicht nur mit den Emissionen von Kraftfahrzeugen und Kraftwerken und den Rülpsern und Fürzen von Rindviechern zu tun hat, sondern auch mit der vielen heißen Luft, die ARD und ZDF bei der Berichterstattung über die Papst-Besuche in Köln und in Bayern und anläßlich des Papst-Geburtstages produziert haben.
Ein Duft von Weihrauch macht sich breit in diesem Land, in dem immerhin 25 Millionen Menschen protestantisch und 23 Millionen Menschen konfessionslos sind. Es wird Zeit die Fenster aufzumachen und frischen Wind reinzulassen, auch und vor allem in deutsche Zeitungs- und TV-Redaktionen.
Die Anrede „Heiliger Vater“ ist kein Anfang für ein Interview, sondern für eine Audienz, bei der die Rollen klar verteilt sind: Ich, kleiner Erdenwurm, wage DIR, Stellvertreter Gottes auf Erden, die Fragen zu stellen, die DU zu beantworten DICH herablässt. Genug davon!