Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 05.2007
Verschiedenes Meldungen

 

20 Jahre Gewerbehof

Erfolgsgeschichte aus der Steinstraße

Vor 20 Jahren öffnete der Gewerbehof in der Steinstraße 23 seine Türen für die Öffentlichkeit. Vorangegangen waren mehrere Jahre harter Arbeit, kontroverser Diskussionen untereinander, mit Anwohnern, mit der Stadt, Unterstützern und Gegnern dieses Alternativprojektes.
Schon um die Jahreswende 84/85 war die Idee entstanden, ein Fabrikgebäude im Sanierungsgebiet der Altstadt zu nutzen und dort einen Gewerbehof für selbstverwaltete Betriebe zu gründen. Eine Initiatorengruppe von ca. 20 interessierten Betrieben und Gruppen schloss sich zu einem Trägerverein „Freiraum e.V“ zusammen. Mit Hilfe der damaligen Stadträtin Heinke Salisch wurde dieses Anliegen in den Gemeinderat und in die zuständigen kommunalen Gremien eingebracht. Insbesondere zeigte sich der damalige Finanzdezent und Erste Bürgermeister Prof. Dr. Seiler dem Projekt in dieser Phase sehr aufgeschlossen. Sehr bald bestand im Gemeinderat Übereinstimmung, die Gründung eines Gewerbehofes zu unterstützen. Doch die Zeit, bis der politische Wille der Stadt Karlsruhe und das Engagement der Gewerbehofinitiatoren Früchte tragen sollte, war sehr lange und geprägt von Standortsuche und Finanzierungsfragen.
Ein ursprünglich favorisiertes Gebäude in der Goethestraße schied nach langen Verhandlungen aus, da der Eigentümer und die Stadt sich nicht auf einen Kaufpreis einigen konnten
Ende 1985 wurde in der Steinstraße 23 ein passendes Objekt gefunden und nach langen Kaufverhandlungen konnte Anfang 86 mit den Umbaumaßnahmen begonnen werden.
Im Juli rückte dann der Bagger an und schon ab November wurde, hauptsächlich in Eigenarbeit, mit dem Innenausbau begonnen.
Im April 1987 zogen dann die ersten Betriebe ein und im Mai fand die von einer großen Öffentlichkeit verfolgte Eröffnung statt.
Der Modellcharakter dieses Projektes weckte bundesweites Interesse, zahlreiche Zeitungsartikel aus dieser Zeitspanne dokumentieren die Auseinandersetzung mit dieser alternativen Lebens-und Arbeitsform. Ein Hauptanliegen der Gewerbehofmitglieder war eine selbstbestimmte, kollektive Arbeitsform zu ermöglichen, in der auch Nischenbetriebe, nichtkommerzielle Organisationen und Initiativen existieren können. In einem frühen Entwurf der Projektbeschreibung war es bezeichnend ausgedrückt: „Kostendeckung statt Gewinnmaximierung!“
Bei der Finanzierung wollte man ganz konventionelle Wirtschaftsförderungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, um einen sich selbst tragenden Mikrokosmos zu schaffen, der nicht von externer Bezuschussung abhängig ist. Dieses Vorhaben überzeugte auch damals die Kommunalpolitiker.
Die finanzielle Vorleistung der Stadt Karlsruhe war notwendig und letztlich von großem Nutzen sowohl für die Betriebe und Initiativen im Gewerbehof wie auch für die Stadt selbst. Im kommenden Jahr wird, nach 21 Jahren, die letzte Rate an die Stadt fällig und das zeigt auch die Konstanz und Möglichkeit alternativer Projekte.
Heute beherbergt der Gewerbehof auf einer Gesamtfläche von 3300 m2 immer noch zahlreiche Betriebe, die schon seit den Anfangstagen dabei sind. Die Kindertagesstätte, das Café Palaver, die Druckcooperative und die Werbewerkstatt, um nur einige zu nennen, sind seit der Gründung dabei. Für andere Betriebe war der Gewerbehof das Sprungbrett, um zu expandieren. Das Basislager und Henrys Jonglierbedarf haben hier ebenso ihre Wurzeln wie auch viele andere, die hier begannen und heute aktiv die Stadt bereichern.
Über 50 Arbeitsplätze wurden geschaffen, die Auslastung der vermieteten Räume liegt über 95% und das Projekt kann ohne Zweifel als Erfolg betrachtet werden.
Bei der Sichtung alter Zeitungsartikel fällt aber auf, daß der politische Charakter, das in den Endachtzigern provozierende Element, verschwunden ist, bzw. viele Themen, über die in dieser Zeit heftig gestritten wurde, in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Die Stadt hatte Angst, sich ein „linkes Ei“ ins Nest zu legen und auch noch finanziell dafür „bluten“ zu müssen. Mißtrauische Nachbarn und politisch aktive „Gewerbehöfler“ gaben gelegentlich Zündstoff für Auseinandersetzungen. Der Volkszählungsboykott einiger Initiativen sorgte sogar dafür, dass an der Eröffnung kein offizieller Vertreter der Stadt anwesend war. Aber im Lauf von 20 Jahren hat sich gezeigt, wie ein Miteinander verschiedener Lebens-und Arbeitsentwürfe möglich ist.
Dem Mut und dem Engagement aller Beteiligten ist es zu verdanken, dass aus einer Idee im Jahre 1984 ein anerkanntes Lebensmodell im Jahre 2007 geworden ist. Gerade im Hinblick auf die Umwälzungen, die die globalisierte Welt bereit hält, den Neoliberalismus, der ohne Rücksicht auf Verluste sich Bahn bricht, ist ein solches Projekt umso bemerkenswerter. Nicht das maximale Profitstreben in den Vordergrund stellend, sondern die Rendite erst an zweiter Stelle führend, schafft solch ein Arbeitsraum Platz, Ideen umzusetzen, die anderswo nicht einmal angegangen werden.
Nach 20 Jahren lohnt es sich mehr denn je die besondere Atmosphäre des Gewerbehofes zu genießen. Ob man seinen Cappucchino unter der alten Eiche trinkt, in der Töpferei einkauft, sein Fahrrad repariert bzw. dies in fachkundige Hände legt oder auch eines der vielen Kursangebote (z.B.Yoga) nutzt, für verschiedene Geschmäcker bietet dieses Idyll in der Stadt zahlreiche Angebote.
Im und um den Gewerbehof wird am 19. Mai ab 15:00 gefeiert. Von Henry’s Jonglierworkshop, Spielaktionen für Kinder und Strandbar, bis hin zum einmaligen Jubiläumsabendessen (nur mit Reservierung) mit Livemusik im „Restaurant“ Café Palaver. Ebenfalls im Café Palaver findet ab 7. Mai eine Jubiläumsausstellung zahlreicher Künstler statt.huhu
> Weitere Informationen über die zahlreichen Initiativen und Betriebe im Gewerbehof findet man unter www.gewerbehof-karlsruhe.de