Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 02.2007
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Wallander und Wallander

Ystad ist eine kleine beschauliche Stadt an der südschwedischen Küste, siebzehntausend Einwohner leben komfortabel auf einer beträchtlichen Gesamtfläche von 774 Hektar. Im historischen Stadtkern kann man guterhaltene Fachwerkhäuser und die Marienkirche bewundern, deren Anfänge bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen. Sieht so die Weltmetropole des Verbrechens aus´ Wohl kaum. Auf dem einzigen Polizeirevier der Stadt vertreiben sich zwei betagte Beamte die Zeit mit Kaffeetrinken, Kartenspielen und dem Verzehr leckerer Fischbrötchen. Auf Anfrage teilte mir einer der beiden, der 62 jährige Ingemar Johanson, mit, dass die größten Verbrechen der vergangenen Wochen ein Wohnungseinbruch in der Mariagatan und der Diebstahl eines Serviettenständers im beliebten Ausflugslokal Soldattoprets Kaffestuga gewesen seien. "Das war sicher einer dieser gottverdammten Wallander-Touristen", fügt der brave Mann knurrend mit dem unverkennbaren südschwedischen Akzent hinzu. Wie bitte, das glauben Sie mir nicht. Aber dass ausgerechnet das liebenswerte Ystad regelmäßig der Schauplatz furchtbarster Verbrechen ist, dass hier Menschen erschossen, erstochen, verbrannt, zerstückelt werden, das glauben Sie gerne, weil es ihnen ein gewisser Henning Mankell erzählt und weil es jetzt auch schon seit Jahren im Fernsehen zu sehen ist. Zum Glück gibt es Kommissar Wallander. Der fühlt sich zwar meistens nicht gut und hat eigentlich genug damit zu tun sein eigenes Leben auf die Reihe zu bringen, aber irgendwie gelingt es ihm immer wieder auch den verwickeltsten Fall zu lösen und den cleversten Täter zur Strecke zu bringen, wobei er ihm allerdings in der Regel noch Gelegenheit gibt ein, zwei Morde mehr zu begehen. Er ist halt nicht mehr der Jüngste und der Schnellste, der übergewichtige Wallander, der sich seit einigen Wochen auch noch in einer abgespeckten ARD-Light-Version auf dem Bildschirm tummelt. Komischerweise führt die hundertprozentige Aufklärungsquote weder dazu, dass die Schwerverbrecher Ystad weiträumig umfahren - im Gegenteil Wallander scheint das Verbrechen magisch anzuziehen - noch zu einem besseren "Stand" von Wallander bei seinen (seiner) Vorgesetzten. Wie bitte´ Das ist doch alles nur Fiktion und gehört zur künstlerischen Freiheit eines Krimiautors. Mag sein. Aber ich kenne keinen anderen Krimiautor, von dem derart penetrant behauptet wird, er würde einem etwas über die gesellschaftliche Wirklichkeit und die Abgründe der menschlichen Seele verraten. Und Mankell selbst nährt diese Mär mit Aussagen wie dieser: "Was jemand sich auch immer an brutalen Dingen ausdenkt und schreibt: die Wirklichkeit ist noch grausamer und noch schlechter. Also, es ist nicht meine makabre Phantasie, die sich das alles ausdenkt. Es ist die Wirklichkeit, die den Autor mit ihrem Material bestürmt. Ich denke, man muss die Dinge deshalb so pervers gestalten, wie sie tatsächlich sind." Welches Material liefert ihm denn die Wirklichkeit Schwedens, das außer durch das ungeklärte Attentat auf Ministerpräsident Olof Palme und die tödlichen Messerstiche, die ein Psychopath der Außenministerin Anna Lindh beim Einkaufsbummel versetzt hat, nicht gerade durch spektakuläre Verbrechen von sich reden macht. Es ist doch vielmehr so, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit in Ystad und Umgebung eher dem knappen Polizeibericht des von mir erfundenen braven Polizisten Ingemar Johanson entspricht als dem bluttriefenden Alltag des von Mankell erfundenen Kommissars Wallander - und die Abgründe der menschlichen Seele tun sich vor allem beim Autor selbst auf, der offenbar einen Spaß daran hat sich möglichst abseitige Verbrechen mit stark sadistischer Note auszudenken. Gewinnbringend ist das literarische Ausleben der eigenen Gewaltphantasien zudem noch und so ist kein Ende der Mordtaten in Ystad abzusehen. Wallander-Tochter Linda wurde schließlich schon in Stellung gebracht, um das blutige Erbe ihre gesundheitlich angeschlagenen Papas anzutreten. Der Erfolg der Wallander-Bücher und der Krimiserie(n) ist natürlich nur möglich, weil Mankells Monstrositäten ins Schwarze der Seele seiner zahlreichen Fans treffen, die ab und zu mal gerne mit gutem Gewissen ein Blutbad nehmen. Das sei ihnen unbenommen. Auch ich hege hie und da Gewaltphantasien und kenne den seltsamen Kitzel, den die Gewalt erregt, die anderen zugefügt wird. Aber wenn Serienmorde in Serie gehen, dann Gähnen nicht die Abgründe, sondern die Zuschauer. So gesehen sind die Wallander-Krimis auch nur ein Aspekt der allgemeinen Reizüberflutung. Unseren täglichen Mord gib uns heute, oder besser noch zwei, drei, vier. In seinen Anfangen mag Mankell einen neuen Ton in der Krimiliteratur angeschlagen haben, mittlerweile spielt er immer dieselbe Leier. Deshalb ein Vorschlag zur Güte: ARD und ZDF schmeißen ihre Wallander-Serien zusammen und beenden das mörderische Elend in und um Ystad, indem der dicke Wallander bei den Ermittlungen nach seinem Doppelgänger den dünnen Wallander über den Haufen schießt, der sterbend dem zuckerkranken, dicken Wallander den Gnadenschuss verpasst. Die beiden Lindas, mäßig betrübt über den Tod ihrer muffligen Väter, schmeißen den Polizeijob hin, gründen eine Frauen-WG und machen gemeinsam ein Lokal auf, das der Soldattorpets Kaffestuga mächtig Konkurrenz macht. Skol!