Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 05.2006
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1- Euro - Job

Hauptsache Arbeit

Peter Müller (Name v. d. Red. geändert) gehört nicht zu den rund 240 Menschen, also 13 Prozent, die laut Auskunft der Stadt Karlsruhe 2005 im Anschluss an ihren 1-Euro- Job einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz gefunden haben. Aber Peter Müller möchte bleiben wo er ist. Geld ist nicht so wichtig - nur Arbeit: „Ich mach alles, egal, Hauptsache ich bin beschäftigt“, so hatte sich Peter Müller bei einer Vermittlungsstelle um einen 1-Euro-Job beworben. Er hat ihn bekommen, das halbe Jahr in einem Karlsruher Kulturzentrum ist um, eine Verlängerung bewilligt, das Ende und „erneute Arbeitslosigkeit“ in Sicht. Zukunft´ Daran will er nicht denken. Diskussionen um den zweiten Arbeitsmarkt, einen Umbau der Gesellschaft oder ein „bedingungsloses Grundeinkommen“, wofür dm-Gründer Götz Werner eintritt, das ist ihm zu weit weg. Peter Müllers Datum steht. Wie schon einmal - bei Thomy. Da war nach 19,5 Jahren Schluss.

Klappe auf: Wie geht’s weiter, Herr Müller´

Peter Müller: Früher habe ich geplant. Jetzt schaue ich genau bis zum nächsten Tag. Ich bin fast wahnsinnig geworden, als ich arbeitslos war. Ich konnte nachts nicht schlafen, bin rumgetappt. Ich hab’nen Koller gekriegt und ich bin traurig geworden.

Klappe auf: Dann haben Sie sich über 1-Euro-Jobs gefreut´

Peter Müller: Zuerst habe ich gedacht, so blöd kann man doch nicht sein – und mich beim Arbeitsamt erkundigt.

Klappe auf: Die Vermittlung ist gut gelaufen´

Peter Müller: Auf der direkten Vermittlungsstelle, die kanzeln einen ab, ganz kurz, keine Erklärung. Man wird behandelt wie ein Mensch zweiter Klasse, auch beim Arbeitsamt, abgesehen von meinem Berater, der ist gut und hilft. Vertrauen ist ein schweres Wort, das ist wie zu sagen - ich liebe dich. Mit der Zeit geht es verloren. Ich habe kein Vertrauen mehr.

Klappe auf: Dann war auch der Start an ihrem neuen 1-Euro- „Arbeitsplatz“ schwer´

Peter Müller: Ich hab’ da erst mal nix kapiert. Das war eine völlig andere Welt von den Menschen her. Bei Thomy war ich Zubringer, so hieß das. Ich musste dafür sorgen, dass alles notwendige Material zur Stelle war. Gläser, Deckel, Leim... Ich kenn’ die Nummern heute noch in- und auswendig. Die werd’ ich nie vergessen. Die Arbeit war stressig und hat Spaß gemacht. Aber es war eine Fabrik. Dort herrschte ein anderer Ton.

Klappe auf: Und der Ton an ihrem jetzigen Platz´

Peter Müller: Nach einer Woche hab’ ich gedacht, ich bin im Schlaraffenland. Die Leute sind freundlich, sie sagen danke, obwohl sie ja sozusagen oben stehen. Man fühlt sich wichtig. Das war auch bei Thomy so, aber anders, nur durch meine Position. Bei der Arbeit konnte mir keiner was vormachen.

Klappe auf: Arbeitslosigkeit hieß dann für Sie Absturz´

Peter Müller: Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Wir haben immer gearbeitet. Arbeitslosigkeit, das gab’s nicht, nicht für uns. Als ich jung war, hab’ ich viel ausprobiert und dann habe ich mal ein Malerauto gesehen. Ich hab’ gefragt, ob der mich nimmt. Das war dienstags. Sonntags saß der Meister bei uns zu Hause. Er hat gesagt, bei mir zählt nur Leistung. Ich hab’ die Lehre gemacht und bei meinem Chef gelernt, richtig anzupacken und rationell zu arbeiten.

Klappe auf: Wie alt sind Sie´

Peter Müller: 44

Klappe auf: Wie kommen Sie mit dem Geld hin´

Peter Müller: Ich hab’ schon mit 40 Mark für mich im Monat gelebt. In finanzieller Hinsicht bieten die 1-Euro-Jobs keine Perspektiven für die Menschen. Was ich da verdiene, nehme ich für Lebensmittel. Die wichtigste Sache ist, ich bin beschäftigt. Es ist traurig, dass ich gehen muss.

Interview: lütt

Termin: Der Gründer der Drogeriekette dm, Götz Werner, stellt am Freitag, 5. Mai, 20 Uhr, seine Thesen über eine Umstrukturierung der Gesellschaft vor. Er spricht über „Das bedingungslose Grundeinkommen für Alle - Ein Menschenrecht und seine soziale Verwirklichung“, im Festsaal der Waldorfschule Karlsruhe. Veranstalter: Förderverein der Waldorfschule Karlsruhe e.V. und Anthroposophische Gesellschaft Karlsruhe