Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2006
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Kreativpark Karlsruhe

In kleinen Schritten zum großen Kreativpark

Der Kreativpark als riesiges Konversionsprojekt > Noch grunzen hier die Schweine, doch schon erarbeiten Architekten die städtebaulichen Leitlinien der Umwandlung des bisherigen Schlachthofareals in einen von Kultureinrichtungen und kulturnahem Gewerbe genutzten Kreativpark. Mit der Gründung der überwiegend städtischen Karlsruher Fächer GmbH, ist das Vorhaben, das als Teil der Kulturhauptstadtbewerbung noch etwas unverbindlich geblieben war, unumkehrbar in Gang gekommen. Für die Klappe Auf sprach Johannes Frisch mit den beiden Geschäftsführern Klaus Lehmann und Klaus Schwaiger und der Stadtplanerin Barbara Rettenmaier von der Fächer GmbH.
Auch nach dem Gespräch freilich bleiben Fragen offen. Wann konkret wird wohl der erste gewerblich Nutzer sein neues Domizil nutzen können´ Wie kann es gelingen, das mit erheblichen Kosten von Abriss, Altlastenentsorgung und Herrichtung denkmalgeschützter Gebäude belastete Projekt für die Stadt tatsächlich kostenneutral zu gestalten´ Wer wird die ins Auge gefasste Konzerthalle finanzieren und wer wird der Investor auf dem bislang vom Autohaus genutzten „Filetstück“ direkt an der Durlacher Allee, dessen Erlös ein Gutteil der entstehenden Kosten decken soll´ Die Stadt wird auch hier nicht alles geschenkt bekommen, mit diesem Gedanken sollten sich die Politiker schon einmal anfreunden. Der nächste Überschuss aus Gewerbesteuereinnahmen kommt bestimmt.



Ende dieses Jahres wird der Schlachtbetrieb in der Karlsruher Oststadt eingestellt. Wie schnell wird aus dem Schlachthofgelände ein Kreativpark werden´

Schwaiger: Unser Ziel ist es 2015 zum 300. Stadtgeburtstag mit der Neuordnung fertig zu sein.

Soll sich diese Umwandlung schrittweise vollziehen oder ist eher an den großen Wurf gedacht´

Lehmann: Sie kann nur in Abschnitten geschehen, schon weil in dem Gelände unterschiedliche vertragliche Bindungen bestehen, die in einem Fall sogar bis ins Jahr 2026 reichen. Als erstes frei werden in diesem Jahr Gebäude im Bereich des Viehhofs und das Autohaus Zschernitz. Wir wollen spätestens im kommenden Jahr mit dem Rückbau der technischen Anlagen und dem Abriss beginnen. Schon in diesem Jahr sollen die beabsichtigten Erweiterungen des Tollhaus in Angriff genommen werden, das heißt die Erweiterung des Foyers und die zweite kleinere Spielstätte im bisher von einer Lackiererei genutzten Teil des Tollhaus-Gebäudes. Hier müssen allerdings noch die finanziellen und vertraglichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Wie genau definiert sich aus heutiger Sicht das Projekt´ Welche Vorbilder schweben ihnen am ehesten für dieses städtebauliche Unternehmen vor´

Rettenmaier: Die große Herausforderung besteht darin, ein Gebiet in seinem größtenteils denkmalgeschützten Bestand komplett so umzunutzen und so herzurichten, dass eine ganz spezielle Klientel sich darin wohl fühlt. So etwas hat die Stadt schon einmal mit dem Technologiepark gemacht, das war allerdings ein Neubau auf der grünen Wiese. Auf der kulturellen Seite gibt es zahlreiche kleinere Vorbilder wie die Schiffbauergasse in Potsdam oder viele Schlachthofkonversionen.

Momentan läuft ein Architektenwettbewerb, für den fünf ausgewählte Büros beauftragt wurden. Welche Vorgaben wurden den Planern gesetzt´

Rettenmaier: Wir haben dieser Planungswerkstatt den Auftrag erteilt, das Gelände städtebaulich zu überplanen, aber auch ein Nutzungskonzept zu erstellen. Rahmenbedingungen gibt es dazu unglaublich viele, und wir haben sie den eingeladenen Planern bei einem Workshop einen ganzen Tag lang vor Ort erläutert. Sie reichen von den denkmalschützerischen Aspekten über eine Vielzahl von Altlastproblemen bis hin zu den Nutzungsvorstellungen der einzelnen Interessenten. Neben dem Bedarf von Tollhaus, Substage und Jazzclub wurde auch eine von Karlsruher Veranstaltern gewünschte Konzertveranstaltungshalle mit einer Kapazität von bis zu 2500 Menschen in die Vorgaben aufgenommen. Das Ergebnis der Planungswerkstatt soll bis Ende Mai zu einem Leitentwurf führen.

Inwieweit baut die Fächer GmbH auf die Vorarbeiten, die die bürgerschaftlich initiierte Arbeitsgemeinschaft Kreativpark Ost (AG) in den vergangenen vier Jahren leistete und inwieweit fließen deren Vorstellungen in die konkrete Umsetzung´

Rettenmaier: Die AG war über die Projektgruppe bei Bürgermeister Eidenmüller an der Erarbeitung des Konzeptes für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt beteiligt . Dieses Leitkonzept ist weiterhin gültig und wird nun auf die konkrete Umsetzung angepasst. Die AG hat überdies eine Interessentenliste für das Gebiet erarbeitet, die sie uns freundlicherweise zu Weiterpflege überließ. Im Gegenzug ist sie in den weiteren Prozess eingebunden, und wir sind dankbar für die Anregungen, die aus dieser Richtung kommen. Daneben haben wir auch den Bürgerverein der Oststadt eingebunden, denn der Kreativpark soll einmal als Teil der Oststadt und nicht nur als „Kulturinsel“ angenommen werden.

Hinter dem Hauptbahnhof bemüht sich die Stadt Karlsruhe seit vielen Jahren vergeblich um geeignete Interessenten für die Entwicklung eines neuen südlichen Stadt-Entrées. Wie ist das konkrete Interesse am Kreativpark, was ist hier anders, wer wird hier herkommen´

Schwaiger: Wir haben hier eine Vielzahl von Interessenten. Sicherlich nicht zuletzt wegen des Charmes des Gebiets mit seinen vielen denkmalgeschützten Gebäuden.

Rettenmaier: Der Hauptunterschied ist, dass am Hauptbahnhof ein wirklicher Großinvestor gesucht wird, der dann baut und vermarktet. Im Falle des Kreativparks sind eher kleinere Interessenten als Selbstnutzer gefragt, die zudem einer klar definierten Zielgruppe angehören, die in Karlsruhe bisher unterrepräsentiert war, aber nicht geringes Potential bietet. Die Interressenten reichen von Tonstudios über Architekturbüros und Designern bis zu Musik- und künstlerischen Schulen oder Eventfirmen. Die Liste macht deutlich wie fließend die Grenzen zwischen Kultur und Gewerbe verlaufen.

Wiederholt wurde betont, dass die Konversion des Schlachthofgeländes die Stadt nichts, oder zumindest nicht allzuviel kosten dürfe. Nun wird aber schon alleine der Abriss des einen oder anderen Gebäudes sowie die Sanierung des Geländes Millionen verschlingen. Gibt es hierfür schon Kostenschätzungen und woher soll das Geld kommen´

Schwaiger: Wir stecken in der Anfangsphase und haben noch keinen genauen Überblick über die Gesamtkosten, aber wir streben auf alle Fälle Kostendeckung an. Entstehende Kosten sollen durch den Verkauf von Grundstücken gedeckt werden, und wir verhandeln über Mittel aus städtebaulichen Sanierungsprogrammen. Wie es unterm Strich aussehen wird, werden wir erst am Ende sehen.

Lehmann: Überschlagsrechnungen deuten auf eine Machbarkeit hin.

Welche Rolle spielt das Tollhaus im Konglomerat Kreativpark´

Lehmann: Über die AG Kreativpark spielen das Tollhaus und die Leute, die es leiten, Britta Velhagen und Bernd Belschner, für die Entwicklung des Kreativparks vom Anfang des Prozesses an eine wesentliche Rolle. Mit seinem weit über die Region hinaus sehr guten Ruf ist das Tollhaus auch dem Bekanntheitsgrad des gesamten Projekts sehr zuträglich.

Noch bevor überhaupt ein Stein umgesetzt wurde, werden Ängste geschürt, ein Kreativpark Ost könne das gesamte Kulturleben der Stadt zentralisieren und die Besucherströme zum Schaden der anderswo Kulturschaffenden auf sich vereinen. Was halten sie von dieser Befürchtung´

Lehmann: Wir sprechen hier von den drei Einrichtungen Tollhaus, Substage und Jazzclub. Es geht uns nicht darum, hier weitere bestehende Kultureinrichtungen herzulocken. Eher möchten wir Freiräume bieten, in denen sich vielleicht neue Dinge entwickeln können. In diesem Zusammenhang müssen wir betonen, dass wir hier keinerlei Bezuschussung kultureller Einrichtungen übernehmen können oder wollen.

Rettenmaier: Im Gegenteil wirkt der Kreativpark einem Zentralismus entgegen, denn bisher ist das Kulturleben der Stadt sehr auf die Innenstadt konzentriert. Mit ZKM und Filmpalast hat sich ein weiteres „Kulturgebiet“ entwickelt und ich denke, das es die Stadt verträgt, dass auch der Osten der Stadt über ein kulturelles Angebot verfügt. Der Belebung der Innenstadt wird durch den Kreativpark keine wirkliche Konkurrenz erwachsen.