Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 08.2005
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

„Verschiedene Blattsalatvariationen“
- das stand auf einer großen Tafel vor einem Vereinslokal, an dem ich gelegentlich vorbeikomme, in das ich aber nie eingekehrt bin. Auch diese Anpreisung machte mir keinen Appetit, die verschiedenen Blattsalatvariationen aber ließ ich mir auf der Zunge ze
Variationen sind nun mal per se verschieden, bei verschiedenen Variationen ist mit oder ohne Blattsalat ein Wort überflüssig. Das gilt auch für den „kleinen Moment“, der oft aufs Tapet gebracht wird, wenn die Bedienung auf sich warten lässt. Wäre der Moment nicht klein, genauer gesagt, kurz, so wäre er keiner. Ein langer Moment ist ein Widerspruch in sich und ein großer Moment, das eigentliche Gegenteil des kleinen Moments, hat eine ganz andere, tiefere Bedeutung.
Das war ein großer Moment, als Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat, die Minuten aber, die zwischen dem Betreten eines Lokals und der Herbeischaffung der dringend benötigten und heiß ersehnten Flüssigkeit (Wein, Bier u.a.) vergehen, sind keine Momente mehr und schon gar keine kleinen bzw. kurzen. Es ist einfach nur sinnlos vergeudete Lebenszeit. Neben diesen Pleonasmen, die allgemein gebräuchlich sind, im Alltag wie im Medienbetrieb und in der Politik, gibt es noch einen speziellen Pleonasmus, der auf den ersten Blick gar nicht wie einer aussieht, ich nenne ihn den „gastronomischen Pleonasmus“.

„frische Muscheln“
Auf der Tafel eben jenes Vereinslokals fand ich auch mal die Ankündigung „frische Muscheln“. Selbstverständlich gibt es Muscheln, die nicht mehr frisch sind, aber ein Wirt, der sie seinen Gästen vorsetzte, würde sich der schweren Körperverletzung schuldig machen und ganz bestimmt seine Kundschaft für alle Zeiten vergraulen. Als frisch kann man auch die Muscheln nicht bezeichnen, die in Dosen oder Gläsern konserviert werden. Aber wer nimmt schon an, dass ihm in einem Restaurant eine Dose mit Muscheln in Tomatentunke hingestellt wird´!. Langer Rede, kurzer Sinn: Muscheln, die in einem Lokal serviert werden, haben einfach frisch zu sein, so frisch wie die Fische, die Fischers Fritz fischt. Das gilt auch für den oft als „frisch“ angepriesenen Spargel, dessen Nichtfrische aber zumindest nicht ganz so furchtbare Folgen hat. Er schmeckt halt einfach nicht mehr.
Es ist kein Wunder, dass einem schon bei der Außendarstellung von Kneipen, Pizzabuden, Biergärten und Restaurants, gleich welcher nationalen Herkunft, immer wieder der Spruch „Wer nichts wird, wird Wirt“ einfällt. Sie sind nun mal die Nummer Eins unter den Sprachpanschern. Mit Kaschemmen wie“Ritchy´s Treff“ fing irgendwann in den Siebziger oder Achtziger Jahren der Siegeszug des Deppen-Apostrophs an, mittlerweile gibt es „freitag´s Fisch“. Und wer weiß, irgendwann werden auch noch verschiedene „Rei´s Gerichte“ aufgetischt.(Wobei ich an dieser Stelle darauf hinweise, dass mich mein Freund, der wortmächtige Feinschmecker Dr.Caligari, der vor etwa drei Jahren an dieser Stelle die Sprachgepflogenheiten der Gastronomen aufs Korn genommen hat, zu dieser Kolumne inspiriert hat. Ihm sind die „frischen Muscheln“ schon mehrmals aufgestoßen.).

„Open“
Die noble Variante gastronomischer Sprachverhunzung kommt zum Beispiel in einem Schild zum Ausdruck, auf dem mit dem Wort „Open“ angezeigt wird, dass das Lokal geöffnet ist. Bei solcher gut sichtbar demonstrierten globalen Offenheit mit angloamerikanischen Akzent, die eigentlich nur Fast Food-Buden wie McDonalds und Burger King gut zu Gesicht steht, bleibe ich lieber draußen. Da ziehe ich dann doch das gutbürgerliche Lokal mit verschiedenen Blattsalatvariationen vor, das einfach nur offen ist.
„verschiedene Verschiedene“
Schade nur, dass nicht auch Friedhöfe plakativ für ihr Angebot werben dürfen. Die Selbstanpreisung „verschiedene Verschiedene“ würde ich gerne lesen und sprachlich ist das völlig korrekt, um nicht zu sagen, „richtig“ korrekt.
Bei der Verbindung von Friedhof und Wirtshaus wird mir ganz melancholisch, ja geradezu weanerisch zu Mute, und ich fange zumindest innerlich mit dem Akzent meiner geistigen Heimat zu singen an (ehrlich gesagt, auch deshalb, um diese Seite, wie vom Verleger gefordert, vollzukriegen. Aber das soll Sie, lieber Leser, nicht am Mitsingen hindern): „Es wird an Wein sein, und mir wer´n nimmer sein,/ d´rum g´niaß ma ´s Leb´n so lang´s uns g´freut./´S wird schöne Maderln geb´n, und wir werd´n nimmer leb´n/D´rum greif ma zua, g´rad is´s no Zeit.“