Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 11.2012
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Generalintendant Peter Spuhler

„Junges Staatstheater“ für alle?

Das ging ratzfatz. Kaum war Peter Spuhler, der in Heidelberg einen großen Theaterum- und neubau initiiert hatte, in der Fächerstadt richtig angekommen, wurde bekannt, dass der aus den 70er Jahren stammende Musentempel an der Baumeisterstraße in die Jahre gekommen dringendster Renovierung bedürfe. Das dürfte nur die wenigsten verwundert haben. Was jedoch selbst regelmäßige Theatergänger überraschte, war die Tatsache, dass das Staatstheater bisher über gar kein Schauspielhaus verfügt, sondern aus Kostengründen damals eine vorgesehene Probebühne zum Kleinen Haus umfunktioniert worden war. Nun soll also ein Neubau her, der das Schauspiel und die derzeit in der Insel residierende neue, fünfte Sparte beherbergt, ehe das Stammhaus wieder auf zeitgemäße Form gebracht werden kann. Schlappe 120 Millionen sind als mögliche Bausumme angedacht, Unterstützer in der Politik waren schnell gefunden und der Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters beschloss vor wenigen Wochen einstimmig, im kommenden Frühjahr einen Architektenwettbewerb in die Wege zu leiten. Alleine die Gemeinderatsfraktion der Grünen streckte vorsichtig die Hand und wies darauf hin, dass ehe die Stadt einen solchen Haufen Geld in die Hand nehme, solle sich „die Bevölkerung ein umfassendes Bild über die Planungen, mögliche Alternativen und über die Kosten machen“, denn schließlich bestimme immer noch der Gemeinderat und nicht der Verwaltungsrat des Staatstheaters über städtische Investitionsmittel. Die Bürgermeinung zu hören, beabsichtigen auch eine Reihe der OB-Kandidaten, so sie nicht wie Friedemann Kalmbach einen Theaterneubau rundweg ablehnen.

Da kommt es gut, dass Überzeugungstäter Peter Spuhler zu einer Sympathieoffensive ansetzen kann, spürt er doch bereits nach einem Jahr deutlichen Rückenwind für sein Haus. So hatten bereits zum Ende der vergangenen Spielzeit die Autoren des vom Deutschen Bühnenvereins herausgegebenen Theatermagazins Die Deutsche Bühne das Karlsruher Haus in der Kategorie „Überzeugende Gesamtleistung“ bundesweit auf Platz drei hinter der Staatsoper Stuttgart und den Münchner Kammerspielen positioniert. Nun gewann man auch den „Preis der deutschen Theaterverlage“ 2012. „Unter einer größeren Zahl von Theatern, die sich durch ihre mutige und unkonventionelle Spielplanpolitik für den Preis empfohlen haben, sticht das Badische Staatstheater als ein Haus hervor, in dem konzeptionelle Impulse in durchweg allen Bereichen des Repertoires Wirkung zeigen“, heißt es in der Begründung. Derart von außen beflügelt holte sich Spuhler überdies durch eine groß angelegte Studie des Instituts für Kultur- und Medienmanagement der FU Berlin nicht nur die Bestätigung der Besucher für die Akzeptanz des eingeschlagenen Kurses, sondern auch Tipps für die Verbreiterung des Publikums. „Ergänzen was fehlt“ war nicht nur im baulichen Sinne der Anspruch Spuhlers für seine Bewerbung nach Karlsruhe. Und vergleicht man die Bevölkerungsanteile der Stadt nach Alter, Bildung, Einkommen und Herkunft mit denen der Besucher des Badischen Staatstheaters, werden die Defizite schnell sichtbar. Das Badische Staatstheater sei zwar keine Anstalt „der Reichen und Schönen“, wie Achim Müller, der seitens der Berliner Hochschule die Studie verantwortet, betont, aber im Schnitt sei das Publikum doch deutlich zu alt, zu weiblich und Bürgerinnen mit anderem kulturellem Hintergrund fänden in der Statistik verschwindenden Niederschlag. So zumindest das Ergebnis der ersten Welle der Befragung, die noch in der letzten Spielzeit der Ära des Intendanten Thorwald durchgeführt wurde. Nach einem Jahr hatte sich der Befund zwar nicht komplett ändern können, doch sind leichte Tendenzen erkennbar: Neben dem Jungen Staatstheater, das in der ersten Spielzeit an die 50.000 junge Menschen erreichte, hat sich auch das Publikum des Stammhauses ein wenig verjüngt, der Anteil der Besucher mit niedrigem Einkommen nahm zu und auch Männer scheinen verstärkt ins Theater gelockt oder geschleppt worden zu sein. Türöffner für neue Besuchergruppen sind offensichtlich musikalische Schauspielproduktionen, darunter das Zugpferd „Dylan“, das im Großen Haus des Theaters stets ausverkauft auch auf dem Fest in der Günther-Klotz-Anlage in Auszügen zu sehen war. Befragt wurden in einem weiteren Teil der Untersuchung „Nichtbesucher“ des Theaters, und hier wurde, vielleicht überraschend, ein weiteres Defizit erkennbar. Gerade in einer Stadt der Hochschulen wie Karlsruhe ist es erstaunlich, dass so viele Akademiker dem Badischen Staatstheater den Rücken kehren. Es bleibt viel zu tun auf dem Weg zum Haus für alle, aber bisher, so scheint es, haben Peter Spuhler und sein Team schon einiges ganz richtig gemacht.


Foto: Peter Spuhler (Generalintendant), Achim Müller (Leiter Zentrum für Audience Development, FU Berlin)

Badisches Staatstheater

Hermann-Levi-Platz 1

76137 Karlsruhe

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