Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 02.2006
Verschiedenes Bücher

 



Literatur aus der Region
Arno A. Gassmann hat an der Karlsruher Uni Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie studiert und sein Studium mit der Promotion abgeschlossen. Aber es ist nicht nur der Doktortitel, der den Verdacht nährt, dass er viel mit dem Helden seines ersten Romans „Hörsturz“ (Igel Verlag, 170 Seiten, 12,80 Euro) gemein hat. Der Ich-Erzähler, Dr.Arnold Glaser, verdient seine Brötchen in der Werbebranche, u.a. hat er die Homepage eines Karlsruher Profi-Fußballvereins gestaltet, der merkwürdigerweise KSV abgekürzt wird. Aber ansonsten ist die Stadt Karlsruhe mit Klarnamen in diesem Buch präsent, als Biotop eines notorischen, zynisch gewordenen Einzelgängers, der seinem entlaufenen Hund nachtrauert, zur Triebabfuhr ins Bordell geht, seine Werbeagentur ruiniert und schließlich in einen Mordfall verwickelt wird. Bis zum Knalleffekt liest sich das flott geschriebene Buch wie die Lebensbeichte eines modernen Steppenwolfs mit profunder Halbbildung. Eines kann man dem Autor und seinem Helden, der befremdlicherweise den Leser gelegentlich direkt anspricht, nicht vorwerfen: Dass er um die Gunst des Publikums buhlt - und das macht ihn wiederum sympathisch.
Im Vergleich dazu sind die Texte des Pforzheimers BNN-Redakteur Mike Bartel sehr gefällig. „Wie uns Froschschenkel die Orientierung erleichtern“ (Info Verlag Edition Fidelitas, 96 Seiten, 9,80 Euro) ist eine Ansammlung von Humoresken und Glossen. Man erfährt viel über das Eheleben und die Frankreich-Reisen des Autors, dem es hie und da gelingt, mit einer treffenden Bemerkung und einer witzigen Formulierung ein Schmunzeln auf das Gesicht des Lesers zu zaubern. Nicht mehr, nicht weniger.
„Heiteres, Besinnliches und Unglaubliches aus dem Rathaus“ verspricht der Untertitel des Anekdotenbandes „Des Bürgermeisters Schuhe“ (Info Verlag Edition Fidelitas, 280 Seiten, 19,90). Otto Velten, der 48 Jahre in der Karlsruher Stadtverwaltung gearbeitet hat und dabei die Amtszeiten von vier Oberbürgermeister aus unmittelbarer Nähe erlebt, erzählt, u.a. als direkter Mitarbeiter der Oberbürgermeister Dullenkopf und Seiler, aus dem Nähkästchen Selbsterlebtes und Zugetragenes. Das ist keine große Literatur, aber es menschelt auf anrührende und manchmal auch komische Art an allen Ecken und Enden im Karlsruher Rathaus. Ob das in Zeiten des E-Governments auch noch so ist, kann man bezweifeln. Einige Geschichten vermitteln allerdings auch das Gefühl, dass einige Beamten und Angestellten der Stadtverwaltung das Motto „Bei der Stadt schafft mer net, bei der Stadt isch mehr“ recht wörtlich genommen haben. -ko





Rainer Würth - Die Ameisen von Tanumatiu-Beach

Der Pforzheimer Autor Rainer Würth reist viel. Besonders gerne ist er "Unterwegs in der Südsee", so der Untertitel seines spröde-poetischen Reiseberichts. Der 38-Jährige entzaubert nämlich diese vermeintliche Traumlandschaft, indem er hartnäckig aus der Sicht eines Touristen erzählt oder beiläufig Anmerkungen zur Geschichte der Südseeinseln einflicht, seien es die Atombombentests im Mururoa-Atoll oder die Einverleibung einer Inselgruppe ins französische Kolonialreich. Natürlich schwärmt er auch von den schönen Plätzen und erzählt, wie es sich in der Südsee denn so lebt. Im Mittelpunkt steht jedoch der Erzähler und die eigene Welt, die er in der vermeintlich fremden wiederfindet: "Mein Bungalow sieht aus, wie solche Bungalows eben aussehen. Ein Bett, ein Tisch, ein offener Schrank mit daran anschließendem Regal." -maske
160 Seiten, Horlemann-Verlag, 12,90 Euro



Karin Koch und André Rösler - Emil wird sieben.
Das kennt man, Emil lebt bei seiner Mutter, die sucht einen neuen Mann. Der Papa hat schon eine neue Freundin, mit Tochter sogar. Für den kleinen Emil, der bald sieben wird, kein ganz problemloses Leben. Karin Koch erzählt aus Emils Sicht eine liebens- und lesenswerte Geschichte mit sympathischen Menschen, die freilich alles andere als perfekt sind. Doch am Ende steht ein „voll cooler Geburtstag“. Der Karlsruher Illustrator und Grafiker André Rösler, der gemeinsam mit der Autorin eine wöchentliche Trickfilmserie im Bayerischen Fernsehen betreut und vor zwei Jahren mit dem Bilderbuch „Kannst du brüllen´“ auf sich aufmerksam machte, hat dazu jenseits allen „Connie“-Naturalismus‘ eine liebenswürdige Patchworkfamilie um den rotbackigen Emil gekritzelt, die Großen wie Kleinen anzuschauen Spaß macht. Zum Vorlesen oder selberlesen. -jf
48 Seiten, Peter Hammer Verlag, 8,90 Euro

Bernhard Schmitt - Stadtlandschaften.

Das Blau springt den Betrachter an. Verhuscht erscheinen im kühlen Dunst der Farbe Fußgänger als Menschenmenge, als Paar, Leute in der U-Bahn oder Touristen, die die Wachablösung vor Palästen herbeisehnen. Meistens sind die Körper beschnitten. In seinen „Stadtlandschaften“ hackt Bernhard Schmitt Oberkörper und Köpfe ab und bannt Bewegung, Beschleunigung und den Rhythmus der Stadt in verwischten Bildern. Mit einer Hasselblad Panorama-Kamera durchstreift der Fotograf Metropolen wie Bangkok, London oder Paris und fasst mit Nancy und Venedig auch Städte, die, wie er sagt, einst Größe besaßen, ins Bild. Vom Daumenkino bewegt rauschen auf 48 Seiten in anziehendem distanziertem Blau, immer mit Kunstlichtfilm gefasst und nie digital bearbeit, Zeit und der flüchtige Alltag vorbei. -lütt
48 Seiten, Info Verlag, Lindemanns Bibliothek Band 23, 15 Euro.





Norbert Scheuer - Kall, Eifel

Egal, wo man hinkommt: Die typisch deutsche Ortschaft hat ein paar hundert oder tausend Einwohner, liegt eingebettet in eine sanfte Mittelgebirgslandschaft und ist von Äckern und Wiesen umgeben. So muss auch Kall in der Eifel aussehen. Norbert Scheuer lebt in dieser Gegend und hat nun einen Erzählband mit dem Titel "Kall, Eifel" veröffentlicht. Es sind keine Geschichten, es ist kein Roman; vielmehr erzählt Scheuer triviale, ja banale Dinge aus dem Leben beispielsweise eines Wirts, eines Frisörs oder zweier Buben, die gerne Angeln. Lakonisch berichtet er vom Leben und Sterben über die Generationen hinweg, wobei sich die einzelnen Episoden zu einem wunderbaren Ganzen zusammen fügen. Und da die Geschichten vom Pferdestehlen oder vom Dorfdeppen nicht nur in der herben Eifel-Landschaft spielen könnten, findet der Leser aus Ettlingenweier oder Remchingen in Norbert Scheuers schmalem Band vielleicht eigene Erinnerungen oder gar ein Stück Heimat wieder. - maske
192 Seiten, Verlag C. H. Beck, 17,90 Euro