Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2012
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Was mal gesagt werden muss. Oder auch nicht

Bild - Was mal gesagt werden muss. Oder auch nicht
Auch ich hätte gerne so einen Koran gehabt, in schmucker Hardcover-Ausgabe, kostenlos. Ein solches Angebot weckt mein Interesse und meine Schnäppchenmentalität, zu der ich mich gerne bekenne und die vor allem von denen mit Häme bedacht wird, die das große Schnäppchen (kann man das eigentlich Schnapp nennen) schon im Sack haben, sei es in Gestalt eines üppigen Erbes oder eines regelmäßigen, mehr als auskömmlichen Einkommens.

Über beides verfüge ich als Angehöriger des schreibenden Prekariats nicht. Deshalb werde ich von Dingen, die preiswert oder gar gratis zu haben sind, magisch angezogen. Aber interessieren müssen sie mich schon – und den Koran wollte ich schon immer mal lesen. Gleichgültig, ob der Islam nun zu Deutschland gehört oder nicht. Er ist halt da - dauerpräsent in den Medien, in der öffentlichen Diskussion, als literarische Vorlage für einige Regime in der Welt wie auch für die, die sie stürzen wollen oder auch schon gestürzt haben und nicht zuletzt für Millionen von Mitbürgern. Da sollte man auch als Ungläubiger Bescheid wissen, das wirkmächtige Buch kennen, das die geistige Grundlage einer Weltreligion bildet.

Wer mit welchen Absichten die Bücher verteilt, interessiert mich wenig. Ich bin nicht missionierbar. Wer sich von der Form des Islams, den die Salafisten repräsentieren, angezogen fühlt, dem ist nicht zu helfen. Wer keine Lust verspürt, sich einem allmächtigen, nicht gar so lieben Gott und einem Tugendkatalog aus dem frühen Mittelalter zu unterwerfen, auf dessen Gemüt und Geist hat ein Gratis-Koran keine stärkere Auswirkung als eine kostenlose Sonntagszeitung oder eine Tüte Gummibärchen. Es ist dann aber nichts geworden mit dem Koran für umme in meiner Heimatstadt. Haben sich die jungen bärtigen Männer nicht getraut, waren sie abgeschreckt durch die Berichterstattung oder haben sich im Großraum K. nicht genügend Gläubige für einen Bücherstand gefunden´´

Im Vorfeld hatten Politiker und Verfassungsschützer warnend ihre Stimmen erhoben, es gab Verbote, die Polizei war in einigen Städten in Alarmbereitschaft, die Ulmer Druckerei erhielt Drohbriefe und – anrufe und gab den Auftrag schließlich zurück. Was soll das´ Unsere Demokratie hat es bislang sehr gut ausgehalten, dass die obskursten politischen und religiösen Sektierer ihre Stände in den Fußgängerzonen aufbauen, um ihre Botschaft unter die Leute zu bringen, mit in der Regel minimalem Erfolg. So groß ist die Überzeugungskraft und Verführungskraft von Leuten, die ihre Überzeugungen wie Sauerbier anbieten, nun mal nicht, und weil dem so ist, frage ich mich auch, warum so ein Gewese darum gemacht wurde.

So verstehe ich auch nicht den Krampf um „Mein Kampf“ und das nochmalige Verbot der Veröffentlichung von Hitlers Kampfschrift. Vor etwa zwanzig Jahren habe ich mir das verbotene Buch besorgt, um aus geschichtlichem Interesse in die Gedankenwelt des Gröfaz einzudringen. Nach etwa hundert Seiten habe ich es entnervt aufgegeben mir dieses großkotzige, stinklangweilige Geschwafel eines Massenmörders in spe anzutun. (So oder so ähnlich dürfte sich die Lektüre des 1200 Seiten-Manifests des selbsternannten Schriftstellers Anders Breivik anfühlen). Wer soll das lesen´ Wer es einmal versucht hat, weiß warum die Schwarte ungelesen in den Wohnstuben des „Dritten Reich“ herumstand. Und davon soll heute eine Gefahr ausgehen´ Natürlich will der britische Verleger, der Teile davon mit Kommentar versehen, in Deutschland publizieren wollte, damit Kohle machen. Was denn sonst´ Aber ich glaube nicht, dass es heute auch nur noch einen Hansel gibt, der durch die nähere Bekanntschaft mit diesem unverdaulichen Textkonglomerat für die NS-Ideologie angefixt wird. Gouvernantenhaft hat das Bayrische Finanzministerium, das noch drei Jahre die Rechte an dem Buch besitzt, den publizistischen Coup, der keiner war, per Gerichtsentscheid verhindert.

Irgendjemand hat mal die DDR als Kindergarten hinter Stacheldrahtverhau bezeichnet, die Bundesrepublik heute kommt mir manchmal vor wie ein Kindergarten, glücklicherweise ohne Stacheldraht, aber mit vielen lieben Schwestern, Onkeln und Tanten, die stets grenzhysterisch darüber wachen, dass die armen kleinen Leute nur nichts in den falschen Hals kriegen, auf dumme Gedanken kommen oder sonstwie Schaden nehmen. Einige davon sitzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und blasen einen Furz wie das wenig durchdachte Grass-“Gedicht“ zum Fackelzug auf, um lang genug in dessen Widerschein die Pose der moralischen Entrüstung einzunehmen und das werte Publikum vorm Überspringen des Virus des Antisemitismus und des Anti-Israelismus zu schützen. So hat man dann (um im schiefen Bild zu bleiben) selbst den Wind erzeugt, um noch ein paar Talkshows zum Thema vom Stapel lassen zu können.

Das musste mal gesagt werden.