Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2011
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Doktor Vielgut

Bild - Doktor Vielgut
„Wozu hast du das Teil!´“ Mit dieser gebenedeiten Gegenfrage antwortete mir ein Freund auf die Frage, ob ich auf das Klingelschild meiner neuen Wohnung den Doktortitel drauf-schreiben sollte oder eher doch nicht. In der Tat, wozu hab ich das Teil, wenn nicht dazu mordsmäßig anzugeben, meine geistige Überlegenheit zur Schau zu stellen, den Frauen zu imponieren und die titellosen Herren der Schöpfung zu beschämen. Wozu sonst stürzt man sich mehrere Jahre lang in eine sinnlose Arbeit, die darin besteht aus vielen Büchern ein Buch zu destillieren, das auch wie die Bücher, die man selbst verwurstet hat, kaum ein Schwein liest, außer es (das Schwein) hätte selbst die Absicht aus den Doktorarbeiten an-derer seine eigene Doktorarbeit zusammenzuschustern. So entsteht Sekundärliteratur aus Sekundärliteratur, gewissermaßen Tertiär- und Quartär- (usw.) Literatur, die kilometer-lange Regale füllt, die Bibliotheken verstopft und dafür sorgt, dass die Doktorarbeiten der Gegenwart noch dicker, noch reicher an Fußnoten, noch unlesbarer als ihre Vorgänger sind. Da habe ich schon ein gewisses Verständnis dafür, dass einige prominente (Ex) Dok-tortitelträger und -trägerinnen sich im Fußnotengestrüpp verhedderten, hie und da Fünfe gerade sein ließen und sich manche An- und Abführungszeichen, mit denen man Zitate kennzeichnet, nebst Fußnoten schenkten. Wenn sie gewusst hätten, was für unangenehme Folgen das später haben würde, hätten sie wahrscheinlich mehr Sorgfalt walten lassen. Dann wäre zwar der Mangel an eigener geistiger Substanz, an originären Ideen und neuen Erkenntnissen noch kenntlicher gewesen. Aber hätte das wirklich den wohlwollenden Dok-torvater daran gehindert den Damen und Herren, die mit rechts an ihrer politischen Kar-riere strickten, während sie mit links ihre Doktorarbeit verfertigten, den offenbar heiß be-gehrten Titel zu verleihen, der sich auf Wahlplakaten und Visitenkarten so hervorragend macht´ Wohl kaum! Die redlichen Doktoranden, man könnte auch sagen, die Pedanten und Tipfelesscheißer, sind da fein raus. Ihnen können die Plagiatssucher, die sich mittler-weile zuhauf im Internet tummeln, keinen Diebstahl geistigen Eigentums nachweisen, aber das heißt ja nicht, dass auf den drei- oder vier- oder fünfhundert nach wissenschaftlichen Regeln verfassten Seiten auch nur ein paar Sätze stecken, bei denen der fachkundige Zeit-genosse staunend ausruft: „Des hätt i jetzt net gedenkt.“ Jetzt werden sich einige fragen, ob ich hier eigentlich eine Mischung aus Nestbeschmutzung und Selbstgeißelung betreibe. Nein, tue ich nicht. Meinen Doktortitel habe ich mir verdient. Meine wissenschaftliche Ar-beit mit dem Titel „Vom Rülpsen und Schmatzen der Toten in den Gräbern“, mit der ich 1763 an der Universität von Temeschburg promoviert wurde, zählt zu den grundlegenden Arbeiten über postmortales Leben, die vampirologischen Studien, die ich zusammen mit Dr. Caligari an der Prager Universität betrieb, stießen in Vampirkreisen auf große Beach-tung. Diese Arbeiten wurden mit Tinte und Federkiel auf Papier geschrieben und sind beim Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar vor sieben Jahren in Rauch aufgegangen. Ein unersetzlicher Verlust für die Menschheit. Unzerstörbar und unverwüst-lich ist aber der damit erworbene Doktortitel, den ich aus oben genannten Gründen immer noch gern vor mir hertrage. Die zwischenzeitliche Entwertung, die er durch die Herren von Guttenberg und Chatizmarkakis, sowie die Damen Koch-Mehrin, Veronika Saß (das ist die Stoiber-Tochter) und Mathiopoulos erfahren hat, ist leicht zu verschmerzen, dürfte der Doktortitel doch demnächst wieder mächtig im Wert steigen, da ehrgeizige Politiker und andere Karrieristen in Zukunft wohl lieber die Finger von einer Dissertation lassen, solan-ge die Öffentlichkeit (genauer gesagt Guttenplag und Vroniplag) darüber wacht, dass sich für jede Behauptung auch eine Belegstelle findet. Im Übrigen ist der Doktortitel im deut-schen Sprachgebrauch einfach nicht zu ersetzen, das zeigt allein schon das Gedicht „Lob-lied auf die Ärzteschaft“ des Schweizer Hymnikers Philemon Schöpfli, das zugleich ein Loblied auf den Doktortitel und dessen erotisierende Wirkung ist.
„Seht ihn an, den Dokter/Auf dem Bette hockt er/Zwitschert einen und macht Krach/Legt die Oberschwester flach.“