Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 12.2005
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Designer und Detektiv

Karlsruhe muss was tun, damit die Kreativen bleiben

Eine kleine grüne Wurst windet sich auf der Wiese, weich und rund. Sie hat lange Haare. Ihr Schöpfer sitzt ein Stück weiter. Markus Graf. Er lacht. „Ja, die Nackenrolle...“, aus Erde und Gras. Was als Wurst, oder Wurm, und irgendwie unmotivierte Erhebung, die jeden Besitzer eines gepflegten Rasens erzürnen muss, daherkommt, dient dem Komfort. Vordergründig. Und da steckt er auch schon ganz drin. Markus Graf. Produktdesigner ist er von Haus aus. Auch gelernter Maschinenbauer und er lehrt an der Universität Karlsruhe. Aber Vorsicht - bei den Architekten, Abteilung Bildende Kunst. Dort hat er seinen Studenten jüngst die Aufgabe gestellt: Wer, wie, was, wieso...´ Richtig - Sesamstraße. Demnächst geht sein Kino, das er für DaimlerChrysler entworfen hat, auf Europa-Reise. Im Münchener Glas und Karosserie-Palast huldigt Graf Hollywood: mit wunderbar rot-plüschigem Kino (innen), kühl-silbergrauen Filmdosenhaut und - Monstern, natürlich. „Art director“ heißt seine Aufgabe in dem Projekt. Eigentlich, sagt Graf, entwickelt er Konzepte. Klappe auf sprach mit dem HfG Absolventen über Kunst, die Welt und (Investitionsgüter-)Design.

Designer und Detektiv
Karlsruhe muss was tun, damit die Kreativen bleiben

Herr Graf, Sie haben sich mal mit Investitionsgüterdesign beschäftigt´ Was ist das´

Graf: Das sind Güter mit denen man neue Konsumgüter herstellt, klassisch sind zum Beispiel Werkzeugmaschinen. Das ist tiefstes Industriedesign.

Wie tiefste Provinz´

Graf: Ja, genau. Für mich war das eine Brücke. In Karlsruhe habe ich Maschinenbau studiert. Wir waren so eine Art Leidensgemeinschaft. Wir haben gesagt, nach dem Vordiplom wird alles besser...

Wurde es aber nicht´

Graf: Nein, aber wir haben zu Ende studiert. Durch Glück und Zufall habe ich von dem Aufbaustudium Investitionsgüterdesign in Stuttgart gehört

Gelandet sind Sie beim Produktdesign an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung...

Graf: Die HfG bedeutete eine Riesenwende in meinem Leben. Das Künstlerische hat immer in mir geschlummert, nur hatte ich es mir lange nicht zugetraut. Es ist meine Leidenschaft.

Sie machen also Kunst´ Oder Design´ Oder beides´

Graf: Die Grenzen sind fließend. Die Frage interessiert mich nicht wirklich. Es ist gleich, ob ich einen Stuhl oder ein künstlerisches Objekt entwerfe. Ich hinterfrage und entwickle Ideen und Konzepte.

Was haben Sie bei dem Mercedes-Benz Projekt gemacht´ Da hat Sie die Stuttgarter Agentur `milla und partner´ ins Boot geholt

Graf: Ich habe das Konzept und den Wettbewerbsentwurf für `milla´ gemacht, den Wettbewerb haben wir dann auch gewonnen. Es geht um eine Ausstellung: „Mercedes in the Movies“. Sie wird in europäischen Kundencentern gezeigt. Zwei bis fünf Minuten schaut sich ein Besucher durchschnittlich um. Das ist mein Thema, (Ausstellungs-) Räume zu schaffen: Wie viel und welchen Inhalt kann ich in dieser Zeit transportieren. Es geht zwar um Filme, in denen Mercedes’ vorkommen, aber das Produkt tritt in den Hintergrund

Wie war der Ausflug in die große weite Agentur-Welt´

Graf: Die Zusammenarbeit war klasse. Auch das Ergebnis, die fertige Ausstellung. Solche Projekte kann nur ein großes Büro an Land ziehen. Als Art-director kann ich mich auf das Kreative konzentrieren. Vieles andere wird mir abgenommen.

Sie arbeiten in Karlsruhe. Ist die Stadt ein gutes Pflaster für Kreative´

Graf: Die meisten, die die HfG absolviert haben, gehen weg. Nach Berlin, München und Köln, selbst nach Stuttgart. Dort ist das Umfeld für Kreative besser. Ich hatte in Karlsruhe von Anfang an den Verbund mit der Wilden Welt. Wir sind eine lockere Ateliergemeinschaft. Herbie Erb und Constanze Greve, die von außen dazu gekommen ist, haben auch bei `milla´ mitgemacht. Aber die Stadt muss was tun, damit die Leute hier bleiben. Der Kreativpark auf dem Schlachthofgelände ist eine Chance. Er muss endlich auf den Weg kommen.

Sie haben das Schilderleitsystem für die Deutsche Bahn entwickelt, im ZKM durch die Ausstellung Video culture geführt, die Keulen am Karlsruher Bahnhof und den Tramhaltestellen entworfen und die große Ausstellung zu Hesses 125. Geburtstag inszeniert – unter anderem. Was möchten Sie jetzt als liebstes machen´

Graf: Ich habe keinen speziellen Wunsch. Es gibt kein wirklich langweiliges Projekt. Während des Studiums mussten wir eine Ausstellung über Server-Schränke, diese grauen Kästen, die zum Beispiel am Straßenrand stehen, machen. Wir haben gedacht es gibt nichts langweiligeres. Aber auch das ist spannend, wenn man sich damit auseinandersetzt.

Wie geht das´

Graf: Mit Nachdenken. Und beobachten. Und Zuhören.

Sie sind so eine Art Detektiv´

Graf: Ja, ein `Art-Detektiv´! Die Welt aus der Distanz zu beobachten, das ist eine Position in der ich mich ganz wohl fühle.

Und irgendwann purzelt eine Idee aus Ihrem Kopf´

Graf: ... die ich dann teste, zum Beispiel in der Wilden Welt und gucke, ob die funktioniert. Es ist ein Geben und Nehmen wie mit den Studenten. Wichtig ist, über den Horizont hinaus zu gehen, auch spinnig zu sein. Das schadet nirgends. Jeder kann in seinem Bereich kreativ sein...

Für die Menge an professionellen Kreativen und Designern sieht die Welt ziemlich hässlich aus...

Graf: Es gibt leider viele Blender. Wenn etwas schön bunt ist, leuchtet und glitzert, gilt das als toll. Davon lassen sich Auftraggeber und Auslober zu leicht blenden. Niemand fragt, was oder ob da überhaupt etwas hinter steckt.

Die Welt ist schlecht, die Menschen sind leichtgläubig, dumm...´

Graf: Die Welt wird schlechter gemacht als sie ist, speziell in Deutschland. Eigentlich ist sie schön... nein, sie ist schön!

Interview: lütt

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