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Archiv: 01.2011
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Venedig-Bilder des 19. Jahrhunderts

Pracht und Alltag

Mildes Abendlicht liegt über dem Meeresbecken, sanft hebt sich die Fassade des Dogenpalastes vom Wolkenhimmel ab und spiegelt sich in den Wellen. Friedrich Nerly malte diese venezianische Abendstimmung mit Segelbooten und Gondeln im Vordergrund. 1837 kam der Künstler nach Venedig, nach mehrjährigem Aufenthalt in Rom war er auf der Rückreise ins heimatliche Deutschland. Geplant war ein Kurzbesuch, doch Nerly blieb bis zu seinem Tod 1878 und wurde als „Porträtist Venedigs“ weithin bekannt. Sein „Blick über das Bacino di San Marco in Venedig“, die Bilder „Sonnenuntergang über Venedig“ und „San Giorgio Maggiore bei Mondschein“ gehören zu den Ansichten, mit denen der Ausstellungsbesucher sich quasi aus der Ferne und, wie vor dem Bau der Eisenbahnverbindung zum Festland, auf dem Wasserweg jener Stadt nähert, die wie kaum eine zweite zwischen Himmel und Wasser, Osten und Westen zu vermitteln scheint.
Abend- und Nachtstimmungen bevorzugten viele Künstler, um die Paläste und Kirchen, Kanäle, Brücken und Gassen wirkungsvoll in Szene zu setzen. „Wahrscheinlich ist keine Stadt im 19. Jahrhundert so oft im Mondlicht porträtiert worden wie Venedig“, sagt Ursula Merkel, die federführend für die Städtische Galerie Karlsruhe die Schau „Venedig-Bilder in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts“ kuratiert hat. Mehr als 150 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien führt die Schau zusammen. Leihgaben kommen unter anderem aus der Albertina in Wien, der Galerie Neuer Meister in Dresden und der Münchener Neuen Pinakothek.
Stadtansichten und die Hauptsehenswürdigkeiten spielen als Motive eine bedeutende Rolle, „aber auch die venezianische Kunst und ihre Rezeption war für die Künstler ein wichtiges Thema“, betont Merkel. So reiste Anselm Feuerbach 1855 mit einem Stipendium des badischen Großherzogs nach Venedig. Sein Auftrag war es, Gemälde als Anschauungsmaterial für die gerade gegründete Kunstschule, die spätere Akademie, zu kopieren. Feuerbach entschied sich für eine anspruchsvolle Herausforderung: Tizians „Himmelfahrt Mariä“. Das Gemälde war bei Kopisten sehr beliebt, „es gab Wartelisten, in die man sich eintragen musste“, sagt die Kunsthistorikerin. Auch der Karlsruher Akademieprofessor Gustav Schönleber besuchte Venedig, entdeckte das kleine Fischerstädtchen Chioggia für seine Freilichtstudien und malte einfache Szenen wie einen Fischer bei der Siesta. Den Alltag der Stadt und ihrer Menschen als Gegenbild der prächtigen Schauseite Venedigs zeigen auch Künstler wie Ludwig Dill und Friedrich Kallmorgen in unspektakulären Szenen mit Lastkähnen, Arbeitern, Marktfrauen und bröckelnden Fassaden sowie Max Liebermann, der den Blick in eine lichte Gasse mit nur wenigen Farbtönen gestaltet.
Einen besonderen Akzent setzt die Schau mit einer Auswahl historischer Fotografien. Sie stammen von Carlo Naya, dem bis heute bekannteste Fotografen Venedigs, und von dem badischen Naturwissenschaftler und Reisefotografen Jakob August Lorent. Dessen Aufnahmen, die auf den Weltausstellungen in Paris und London prämiert wurden, faszinieren durch brillante Wiedergabe architektonischer Details und durch ihre Größe von bis zu zirka 60 mal 80 Zentimetern. In ihrem Farbton meinte ein Zeitgenosse „die ganze Wärme der Sonne der Adriaküste“ zu finden. afr

> bis 6.3., Städtische Galerie Karlsruhe, Lorenzstr. 27, Mi-Fr 10-18 Uhr, 1.1. 13-18 Uhr, 6.1. 10-18 Uhr "Tag der offenen Tür", öffentliche Workshops für Kinder So 15-16.30 Uhr (zeitgleich zu Führungen), Katalog 24,80 Euro.