Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 01.2011
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Andreas F. Beitin

Architektur und Identität

Das Museum für Neue Kunst (MNK) im Karlsruher ZKM zeigt mit der Ausstellung der skandinavischen Künstler Elmgreen & Dragset derzeit zwei spektakuläre, monumentale Installationen, einen prunkvollen Festsaal und einen vierstöckigen Plattenbau, höchst unterschiedliche Paläste der Wünsche und Träume, der Einsamkeit und Enttäuschung. Passend dazu hat Andreas F. Beitin, der seit 2004 am ZKM tätig ist und seit dem vergangenen Frühjahr das MNK leitet, aus der Sammlung des eigenen Hauses zusammen mit seinen Mitarbeitern Isabel Meixner und Martin Hartung eine kleine, aber feine Ausstellung zum Thema „Architektur und Identität“ zusammengestellt. Klappe Auf unterhielt sich mit dem Museumsleiter über sein Ausstellungsthema im Bezug auf Karlsruhe und über die Erfahrungen mit dem eigenen Haus.

Welchen Bezug haben Sie zu Architektur und Städtebau´

Andreas F. Beitin: Als Kunsthistoriker ist man naturgemäß auch an Architektur interessiert. Viele Architekten verstehen sich ja selbst als Künstler, und vielfach kann Architektur so etwas wie eine begehbare Skulptur sein. Gerade wenn man in einer geplanten Stadt wie Karlsruhe mit ihrem Fächergrundriss lebt, wird einem bewusst, wie stark Architektur und damit auch der Städtebau als der Zusammenschluss verschiedener Ideen Ausdruck ihrer Zeit, in diesem Fall eben des späten Absolutismus, sind.

Welche Rolle spielt die Kunst im Bezug auf die Architektur, und kann man aus den gezeigten Werken der Ausstellung „Architektur und Identität“ Schlüsse auf städtebauliche Realitäten oder Visionen ziehen´

Beitin: Auch wenn es einzelne Künstler gibt, die eigene städtebauliche Visionen oder Stadtmodelle entwickeln, ist der Part der Kunst oftmals der, die Realität zu rezipieren. Nehmen sie zum Beispiel die Arbeiten von Thomas Ruff in der Ausstellung, der mit seinen Aufnahmen trister Sozialbauten bestehende Verhältnisse demonstriert und mit Kritik verbindet. Gerade die Fotografie ist hierzu an erster Stelle geeignet.

Der konstruierte Raum funktioniere als Vermittler einer gesellschaftlichen Haltung, heißt es im Ausstellungstext. Welchen Haltungen begegnen Sie, wenn Sie durch Karlsruhe spazieren. Was fällt Ihnen als erstes auf´

Beitin: Nun ist Karlsruhe, wie viele andere Städte auch, in der bedauerlichen Situation, dass viele Straßenzüge durch den Krieg zerstört wurden, aber wenn man zum Beispiel durch die Sophienstraße geht und sich die Jugendstilfassaden betrachtet, kann man dem Geist einer kurzen Epoche nachspüren, in welcher man ausgehend von der englischen Arts & Crafts-Bewegung die Strenge der Gründerzeit ablegen wollte und auf organisch wirkende Formen setzte. Genauso gibt es zahlreiche schlechte Architektur, die auch aufgrund der knappen finanziellen Mittel nach dem Zweiten Weltkrieg möglichst billig hochgezogen wurde. Spannend ist in diesem Zusammenhang zu beobachten, wie sich das Areal um das ZKM, das ja - wie man gerade in unserer Ausstellung „Vor dem ZKM“ nachvollziehen kann - einst ein riesiges Industriegelände war, im Verlauf der vergangenen drei Jahrzehnte zu einem Quartier mit einigem Gewerbe, aber auch viel Wohnbebauung mit einer hohen Lebensqualität gewandelt hat.

Räume seien nicht als eine leere Abstraktion zu begreifen, sondern als gebaute Grundlage des menschlichen Zusammenlebens und des sozialen Gefüges, heißt es sinngemäß bei Peter Sloterdijk. Architektur kann dabei Ausdruck von Identität sein, diese aber auch stiften. Welche neueren Bauwerke passen Ihrer Meinung nach gut nach Karlsruhe, und welche nicht´

Beitin: Ausgesprochen gelungen finde ich die neue Mensa an der Moltkestraße, die mir mit der Offenlegung ihrer Konstruktion und den zugrunde liegenden organisch-zellulären Elementen ein tolles Beispiel für zeitgemäße Architektur für eine Einrichtung der Technischen Hochschule zu sein scheint. Aber auch das Gebäude der Landesbank an der Ludwig-Erhard-Allee ist interessant, weil es mit seinen verspielten Aspekten so gar nicht unserer klischeehaften Vorstellung entspricht, wie ein Bankgebäude auszusehen hat. Auch wenn Bankgeschäfte alles andere als spielerisch oder transparent sind, gibt dieses Gebäude zumindest den Anschein. Es gibt in ganz Deutschland relativ viele Beispiele für 08/15-Bauwerke aus den vergangenen Jahren, die ich als der Sparsamkeit geschuldete Rezessionsarchitektur bezeichne, aber ein richtig misslungenes Beispiel in Karlsruhe fällt mir spontan nicht ein; vielleicht kann man das ECE-Center hier nennen. Es gibt natürlich auch viele Beispiele für modisches Bauen, dass man heute vielleicht ganz toll findet, und wenn man in fünf Jahren dran vorbeikommt, rollt man nur noch mit den Augen...

Sie sind seit 2004 am ZKM. Wie erleben Sie Karlsruhe als Stadt´

Beitin: Gerade die Dimension und die überschaubaren Distanzen sind für mich, der ich viel mit dem Fahrrad unterwegs bin, sehr angenehm. Auch die nahe Umgebung ist wunderbar, vor allem aber ist für mich als Kunstmensch das Angebot in diesem Bereich sehr attraktiv. Anders als vielleicht in einer größeren Stadt kann man auch gut den direkten Kontakt zu den KollegInnen pflegen, die wie in der Kunsthalle oder im Kunstverein wirklich tolle Ausstellungen veranstalten.

Seit April 2010 leiten Sie das Museum für Neue Kunst. Welche besonderen Chancen oder Einschränkungen bietet ein Museum, das über einen großen Bestand an Kunst aus privaten Sammlungen verfügt´

Beitin: Es ist wunderbar in einem guten Verhältnis mit so hochrangigen Sammlungen zusammenzuarbeiten, die mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten viele Möglichkeiten bieten. Auch wenn ich betonen möchte, dass wir natürlich auch viele Ausstellungen machen, die unabhängig von den Partnersammlungen realisiert werden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich insgesamt die Sammlerszene stark gewandelt. Mittlerweile hat fast jeder unserer Kooperationspartner sein eigenes Museum, was wir als belebend und nicht als Konkurrenz ansehen, denn es gibt so viel mehr Werke, als überhaupt in den eigenen Räumen präsentiert werden könnten.

In welcher Rolle sehen Sie das MNK in der Kunst- und Museumslandschaft von Stadt und Region´

Beitin: Ich glaube, dass wir nicht nur von der Größe her, sondern vor allem auch durch die außergewöhnliche Architektur, die faszinierenden Präsentationsmöglichkeiten und das inhaltlich anspruchsvolle, spannende Programm für Stadt, Region und auch weit darüber hinaus eine herausragende Rolle spielen. Eine aktuelle Studie der Stadt belegt dies deutlich. Wo sonst wäre solch eine Ausstellung wie die derzeitige mit Elmgreen & Dragset mit ihren monumentalen Installationen möglich´ Die Presse-Resonanz, die von Aufmachern in den Feuilletons von FAZ und Süddeutscher über einen siebenseitigen Beitrag in der Kunstzeitschrift Monopol bis hin zum Bericht im Heute-Journal reicht, und die guten Besucherzahlen freuen uns extrem. Somit demonstrieren wir im MNK, dass wir einerseits mit Ausstellungen wie „Vor dem ZKM“ eine lokale Anbindung leisten und zugleich mit Präsentationen wie die mit Jürgen Klauke, Robert Wilson und jetzt Elmgreen & Dragset uns auf einem internationalen Niveau befinden.

Der größte Publikumserfolg in der Geschichte des MNK war die Lichtkunstausstellung. Konnte dadurch die Bindung der Besucher an das Haus gesteigert werden´ Gibt es Ideen, an diesen Erfolg anzuknüpfen´

Beitin: Das Licht war ein sehr attraktives Thema, und es hat viele Besucher erstmals in unser Haus gebracht. Vor einiger Zeit hatten wir eine Ausstellung mit historischen Quilts. Das hat unserem durchschnittlich von eher jüngeren Menschen besuchten Haus wiederum einem anderen Publikum älterer Menschen bekannt gemacht. Ich denke auch, dass die jetzige breite Medienresonanz dazu führt, dass Menschen auf uns aufmerksam werden, die noch nicht im ZKM waren, von denen dann einige sicher wieder kommen werden. Denn wir haben hier ja auch zusammen mit dem Medienmuseum viel zu bieten. Für manchen mag diese Fülle auch eine Überforderung darstellen, aber wir freuen uns natürlich, wenn die Leute immer wieder kommen.

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