Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 03.2010
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Kein Herz für Hartz IV

Bild - Kein Herz für Hartz IV
Das Fernsehen vermittelt uns tagtäglich ein Bild vom Leben auf Hartz IV-Niveau. Ja, man könnte fast sagen, dass Hartz IV-Empfänger so etwas wie das Humankapital von Privatsendern von RTL und SAT 1 bilden. Ihr verpatztes, staatlich subventioniertes Dasein wird als Reality Soap verkauft.

Wer nichts mehr zu verlieren hat, der pfeift auch auf Scham und Würde, der macht sich wenig Gedanken darüber, was die Mitwelt darüber denkt, wenn sich man vor laufender Kamera geistig, seelisch, moralisch und gelegentlich auch körperlich entblößt, die Öffentlichkeit rein lässt in die verdreckte, unaufgeräumte Wohnstube, sie daran teilhaben lässt an der Unfähigkeit mit Geld umzugehen oder die eigenen Kinder zu erziehen.

In nachmittäglichen Talkshows sitzen sie herum und plappern dummes Zeug zur Unterhaltung von anderen, die ebenfalls keiner geregelten Arbeit nachgehen. Das sind also die verdummten Verdammten dieser Erde, die Maden im Wohlstandsspeck, die arbeitsscheuen Transferleistungsempfänger, die dem Staatshaushalt und damit indirekt den Steuer zahlenden Leistungsträgern auf der Tasche liegen. Das muss sich auch Guido Westerwelle gedacht haben, als er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass nahm, eine Breitseite gegen Hartz IV-Empfänger abzufeuern. Flugs löste er damit die bekannten Abwehrreflexe auf der linken Seite des politischen Spektrums aus. Schützend warfen sie sich vor die Geschmähten und schmähten nunmehr den Schmäher als Esel und dergleichen.

Es ist immer dasselbe Spiel: Aus der sicheren Ferne der eigenen Wohlstandbastion erscheinen die Hartz IV-Empfänger mal als bedauerns- und schützenswerte Opfer politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Fehlentwicklung, mal als faule Mitesser am Leib des arbeitenden Volkes. Das Problem solcher Pauschalurteile ist halt nur, dass sie mit der Streuung eines Wasserwerfers die Richtigen und die Falschen treffen.

Natürlich vermitteln die schmierigen Serienformate kein richtiges und vollständiges Bild vom Leben in Zeiten von Hartz IV, aber sie schöpfen ihre Stoffe und ihre Figuren aus der Wirklichkeit, sie spiegeln ein Segment der Realität, das relativ unappetitlich ist - so wie eben manche Aspekte des Lebens unappetitlich sind. Ja, es gibt sie die Existenzen, die sich eingerichtet haben im geschützten Raum steter staatlicher Zuwendung, die das Geld, das sie eigentlich für die Versorgung ihrer Kinder bekommen in der nächsten Kneipe versaufen oder sonst wie auf den Kopf hauen, die sich fortpflanzen (und das auch noch rege) von einer nur matt durch den stets laufenden Fernseher erhellten Finsternis in die nächste.

Aber was haben die vielen damit zu schaffen, die nachdem sie Jahrzehnte gearbeitet und sich eine scheinbar sichere Existenz aufgebaut haben, auf einmal vor dem Nichts stehen, weil ihre Firma pleite gegangen ist oder weil eine Konzernspitze sich mal wieder entschlossen hat, ein paar hundert oder tausend Stellen hier und dort abzubauen´ Welche Chancen auf eine neue qualifizierte Arbeit hat ein entlassener Werftarbeiter in einer Region, in der die Werften gerade dicht gemacht wurden, wie soll ein entlassener Automobilbauer Arbeit finden in einer Stadt, in der der einzige große Arbeitgeber, der ist, der gerade seinen Arbeitsplatz abgebaut hat´

Diese Menschen haben Besseres zu tun als ihr Schicksal öffentlich auszustellen und im Fernsehen den Affen zu machen. Ihr Alltag gibt nichts her für den telegenen Elendsvoyeurismus, der auch noch die schummrigsten Ecken der Gesellschaft ausleuchtet. Ihre Schicksale sind ein Stoff für ernst gemeinte Dokumentationen oder auch für Fernsehfilme, die noch mit dem Anspruch gemacht werden, dem geschätzten Publikum gesellschaftliche Zu- und Missstände nahezubringen. (Schmonzetten, die in Südafrika oder anderen schönen Orten der Welt gedreht werden, bringen freilich höhere Quoten und machen auch öffentlich-rechtlichen Fernsehcrews mehr Spaß.)

Diese Hartz IV-Empfänger wider Willen haben es nicht verdient mit den staatlich durchgefütterten Couchkartoffeln in einen Topf geworfen zu werden, so wie es diese nicht verdient haben als arme Opfer der Gesellschaft unter Artenschutz gestellt zu werden. Ein starkes Stück ist es allerdings, dass ausgerechnet der Vorsitzende einer Partei, die für die sogenannte Flexibilisierung des Arbeitsmarktes plädiert und gegen die Festlegung von Mindestlöhnen wettert, sich darüber beklagt, dass Leute, die arbeiten weniger in der Tasche haben als die, die Vater Staat auf der Tasche liegen.

Was für Konsequenzen soll man daraus ziehen. Den Mindestbedarf eines Hartz IV-Empfängers so weit runterrechnen, dass er jeden Hungerlohn unterschreitet´ Solchen Zynismus kann sich nicht einmal eine Partei erlauben, der selten starke Worte oder gar gesetzliche Regelungen gegen die asoziale Raffgier und Selbstbedienungsmentalität sogenannter Leistungsträger einfallen. Aber die Freiheit, die die FDP meint, war schon immer die Freiheit der Besserverdienenden, ob sie es verdient haben – oder nicht. .