Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 11.2009
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Die Vandalen

Das Königreich im Landesmuseum

Der französische Bischof Henri Grégoire spricht 1794 von „Vandalismus“. Seine Wortschöpfung geißelt den Terror radikaler Jakobiner, vergleicht ihn mit der Plünderung Roms durch die Vandalen 455. Nationalsozialisten instrumentalisieren die Vandalen als tapfere germanische Ahnen der Deutschen. Wenn heute junge Menschen die Straßenbahnsitze zerschneiden oder Fensterscheiben eintreten, dann verhalten sie sich angeblich wie die Vandalen.


Wer waren diese „Barbaren“, als die sie den Römern galten, tatsächlich´ Germanen, die aber im Laufe der Zeit vollständig romanisiert waren - und hochkultiviert, wie die neuere und neueste Forschung erkannt hat und es jetzt die Große Landesausstellung des Badischen Landesmuseums vor Augen führt. „Das Königreich der Vandalen - Erben des Imperiums in Nordafrika“ setzt anhand von 300 Objekten, Skulpturen, Goldschmuck, Keramik und Mosaiken die hohe Kultur des nordafrikanischen Vandalenreichs ins Licht. Beleuchtet werden die Alltagskultur und das von christlicher Bilderwelt und Jenseitserwartung geprägte Bestattungswesen ebenso wie die von den Römern übernommene Villenkultur der vandalischen Oberschicht, deren Herrschaft, wenn auch nur für kurze Zeit, die Geschicke des Mittelmeerraums bestimmte. Weinranken, Tauben und Paradiesdarstellungen zieren Kelchgefäße und andere Gegenstände der Vandalen, die als arianische Christen die Dreifaltigkeitslehre ablehnten.
Nach dem Aufbruch aus ihrer einstigen Heimat im heute ungarischen, polnischen, slowakischen Gebiet in der Völkerwanderungszeit hatten die Vandalen um 406 den Rhein überschritten, danach zogen sie drei Jahre durch Gallien und 20 Jahre durch Spanien. 429 beschloss Vandalenkönig Geiserich die Meerenge von Gibraltar zu überqueren - „ein unerhörter Plan“, so Susanne Erbelding, Kuratorin der Ausstellung. Geiserich sei wahrscheinlich ein talentierter Heerführer und charismatischer König gewesen, betont die Archäologin. Nach dem Bericht des antiken Historikers Prokop soll er 80.000 Menschen nach Nordafrika geführt haben. Dort agierten die Vandalen nach Eroberungen bald auf Augenhöhe mit dem römischen Kaiser und orientierten sich in Verwaltung und Kultur stark an der vorgefundenen römischen Lebensweise.
Dank großzügiger Leihgaben tunesischer Museen sind in Karlsruhe erstmals zahlreiche bis zu knapp zwei Meter große Mosaiken zu sehen. Als Grabmosaiken, wie sie spezifisch für das frühe Christentum in Nordafrika waren, markierten sie am Boden der Basiliken den Ort der Bestattung. Einige zeigen Porträts, andere die ganzfigürliche Darstellung des Verstorbenen in der mit seitlich vom Körper ausgestreckten Gebetshaltung, andere nennen einen eindeutig vandalischen Namen des Toten, etwa „Vilimut“. Zu den schönsten Exponaten zählt das Mosaik der sogenannten „Dame von Karthago“ aus dem Nationalmuseum von Karthago, und aus dem British Museum in London kommt das Mosaik eines Reiters, der mit seinen langen Haaren und dem möglicherweise zu erkennenden Schnurrbart nicht der spätantiken römischen Mode entspricht. „Vielleicht könnte so ein Germane ausgesehen haben“, spekuliert Erbelding. Maßstabsgetreue Inszenierungen einer spätantiken Villa und eines begehbaren Baptisteriums sowie Modelle von Kirchenbauten machen neben dem bewährt umfangreichen Begleitprogramm im Schloss die Kultur und Geschichte des Vandalenreichs erlebbar. afr
> bis 21.2.2010, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Schloss, Di-Mi sowie Fr-So und an Feiertagen 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr. Offene Werkstatt Sa, So sowie an Feiertagen und in den baden-württembergischen Schulferien 14-18 Uhr.