Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 12.2008
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Ein letzter Tanz´

Künstler und Verwalter im Schlachthof

Wenn ich einen Spielplatz baue, dann will ich Kinder drin spielen sehen. Bei einer Kirche sind es folglich Pfarrer und Gläubige auf die ich zähle. Und wenn ich auf die Idee komme einen „Kreativpark“ zu zaubern, dann wohl um Kreative dort anzusiedeln. Aber nicht jeder Kreative scheint der Karlsruher Fächer GmbH genehm, wenn es um den Umbau des Schlachthofs zu einem sogenannten Kreativpark Ost geht.
Einer der ersten, der auf diesem Areal kreativ wurde, ist der Künstler Georg Schalla. Nun aber scheint er nicht mehr erwünscht zu sein.
„Hier wird ein schräges Spiel gespielt“, so Schalla spöttisch, „der Fächer GmbH passen Ateliers wohl nicht in das kreative Vorhaben“. Nach Angaben Schallas, drohe die Gesellschaft seit längerem schon mit Zwangsräumung, und dies ohne ein Alternativangebot, besser noch, ohne ein konkretes Konzept für die betreffenden Räumlichkeiten in der Tasche zu haben. Dabei ließe Schalla mit sich reden, schließlich sei er kein Unmensch, sondern nur ein Künstler, zudem kein unbekannter seiner Zunft, der in Karlsruhe einiges geleistet hat.

Der 1947 geborene Maler und Konzeptionskünstler stellte in den Hallen der ehemaligen Munitionsfabrik IWKA mit die Weichen für einen Kunst-Raum, der schließlich mit dem Einzug des ZKM, der HFG, und der Städtischen Galerie zu einer erfolgreichen Stadtentwicklung führte. Seine Laufbahn ist markiert von angesehenen Kunstkonzepten wie „99,9999 %“ oder dem Projekt „Der letzte Tanz“ aus dem vergangenen Jahr. Er arbeitet interdisziplinär mit besonderem Schwerpunkt auf Raum-Architektur, was ihm unter anderem den Kunstpreis der Werner-Stober-Stiftung einbrachte. 1996 richtete er sein Atelier in zwei Stallungen des damals noch im Betrieb befindlichen Schlachthofs ein, 2003 folgten die Anmeldung des Vereins Kunst-Zeit-Raum e.V. und eine komplette Sanierung. Und nun das Ende der Geschichte. Doch was haben die Verantwortlichen für die Entwicklung des Schlachthofareals an der Nutzung eines Kunst-Vereins mit nachweislich öffentlichen Projekten auszusetzten´

Für die Fächer GmbH verweist Geschäftsführer Klaus Lehmann darauf, dass das Leitbild für das Gelände des „Alten Schlachthofs“, wie das Konversionsprojekt bezeichnenderweise zielneutral bei der Fächer GmbH noch heißt, zwar ausdrücklich Atelierräume vorsehe, dass aber auch deren Bereitstellung durch die Fächer GmbH nach den Gesetzen der Wirtschaftlichkeit erfolgen müsse: „Mietverhältnisse jedoch, die nicht einmal eine Kostendeckung erwarten lassen, oder bei denen ein nachhaltiger Mieteingang nicht abzusehen ist, können nicht eingegangen werden.“
Sollten sich einzelne Mieter die durch die Rundumsanierung des gesamten Geländes nicht gerade günstigen Mieten nicht leisten können, sei dies ein Fall für die Kulturförderung, für die die Stadt und die Kulturpolitik - nicht aber die Fächer GmbH - zuständig sei. Ein entsprechender Antrag, dass die Stadt bei der Fächer GmbH anmiete, um verbilligt an Schalla weiterzuvermieten, war vom Kulturausschuss mit der Begründung abgelehnt worden, dass eine eine Einzelförderung in dieser Größenordnung nicht mit den sonstigen kulturpolitischen Zielen vereinbar sei, so Lehmann.

„Kreativität zählt nicht im Kreativpark“, antwortet Schalla „gewinnbringendes Gewerbe, nur das ist wichtig“. Einen seiner beiden Räume, das Atelier, das er für die übergroßen Formate seiner Bilder benötigte, musste er bereits räumen. Sein letztes Projekt konnte er nur durchführen, nachdem er vor dem Notar unterschrieben hatte, nach Abschluss der Aktion, unverzüglich das Atelier zu räumen.
Sein Werk stapelt sich bis zur Decke in dem verbliebenen Gebäude, das er nun auch noch aufgeben soll. „Ich bin mein eigener Koffer“, kommentiert der Künstler. Schade, dass er gerade diesen Koffer packt und verschwindet. Die Lust an Karlsruhe sei ihm endgültig vergangen, sagt er, er werde die Stadt verlassen und sich „so weit wie möglich von Karlsruhe entfernt“ niederzulassen, um „einer anderen Region zur kulturellen Blüte zu verhelfen“, während hier falsche Spielplätze und Kirchen entstünden.

Dass Schalla gehen soll, hat jedoch offensichtlich nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern hängt auch damit zusammen, dass der renommierte Künstler im menschlichen Umgang nicht gerade der Stromlinienförmigste ist, der zu allem Ja und Amen zu sagen bereit wäre. „Herr Schalla trägt nach eigenen Aussagen das Konzept des `Alten Schlachthofs´ nicht mit und kann sich auch mit Nachbarn wie dem Substage nicht anfreunden. Dies ist normalerweise ein Ausschlussgrund für einen Nutzer“, untermauert Lehmann seinen Wunsch, dass der Künstler die von ihm bisher genutzten Räume, für die eine große Nachfrage herrsche, für andere freimache „die die Grundidee des Konversionsprojetktes mittragen und sich damit identifizieren können.“

Dass in der Fächerstadt Mangel an geeigneten und bezahlbaren Atelierräumen herrscht, ist keine Neuigkeit. Dass Kultur und auch kulturnahes Gewerbe, das meist aus der Kreativität und dem Engagement Einzelner erwächst, nur seltenst über die nötigen Potentiale verfügen, in rundumsanierten Gebäuden und teuren Neubauten kurzfristige Wirtschaftlichkeit zu erzielen, ist eine Selbstverständlichkeit. Dieser widerspricht das Konzept der kostenneutralen Entwicklung eines Kreativparks diametral. Dafür kann die Fächer GmbH an sich nichts, die Politik und auch die Finanzbürgermeisterin werden sich immer mehr daran gewöhnen müssen, dass der Aufbau eines Kreativparks ein Investitionsprogramm ist.
Wenn das Unternehmen gelingt, liegt die Rendite in einer immensen Attraktivitätssteigerung für Karlsruhe. Auf die Fächer GmbH freilich muss die Kulturpolitik ein waches Auge haben, damit diese nicht unter der Selbstherrlichkeit ihrer Wirtschaftlichkeitskeule kulturpolitische Entscheidungen trifft, die dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können. ak/jf