Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 05.2008
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Generation Doof

„Generation Doof“ ist ein Buch betitelt, das sich einige Wochen in den oberen Rängen der Bestsellerlisten gehalten hat. Ein junges Autorentandem fasst darin den beklagenswerten Geisteszustand seiner Generation in viel zu viele Worte (336 Seiten!).
Um nicht als arrogant und besserwisserisch zu erscheinen, rechnen sie sich selbst der Generation Doof zu und bringen dafür auch einige Beispiele, die nicht recht überzeugen. Nein, Stefan Bonner und Anne Weis sind nicht doof, sonst hätten sie sich nicht so clever selbst vermarktet. Treffsicher haben sie ihr Sammelsurium aus wissenschaftlichen Untersuchungen, Selbsterlebtem und Zeitungsschnipseln in der Medienlandschaft platziert und damit genau das erreicht,was sie wollten: Interviews mit „Stern“ und „Spiegel“, Auftritte in mehreren Talkshows und nun auch noch eine Erwähnung bei Dr. Mabuse, dem scharfzüngigsten und wirkmächtigsten Polemiker zwischen Muggensturm und Karlsbad-Langensteinbach. Mit der Altersabgeklärtheit, die man sich leisten kann, wenn man nicht einmal mehr der Generation Golf, sondern allenfalls der Generation Ford Taunus bzw. VW Käfer angehört („und läuft und läuft und läuft“, die Älteren werden sich noch erinnern), blicke ich auf die Generationen nach mir und – siehe da: Es ist etwas Wahres dran, die Menschen werden immer dümmer.

Beispiele finde ich zuhauf, ich muss nur auf die Straße oder in meine Bäckerei gehen. Dort erlebte ich vor kurzem eine junge Frau, die sich vor dem Tresen in Gesellschaft anderer Leute, die für Brot und Brötchen anstanden, angeregt und für die Umstehenden absolut verständlich unterhalten hat, mit einem unsichtbaren Dritten. Diese Unterhaltung führte sie auch fort, als sie an der Reihe war. Zwischen die Gesprächsfetzen („Du, ich bin jetzt gerade in einer Bäckerei“) flickte sie zur Verblüffung der Bäckereifachverkäuferin ihre Bestellung. Des Rätsels Lösung heißt „Headset“ und zählt zu den neuen technischen Errungenschaften, die es möglich machen in Gesellschaft autistisch zu leben.
Früher haben sich nur seelisch und geistig auffällige Personen oder Schwerstalkoholiker auf offener Straße mit einem unsichtbaren Gegenüber unterhalten, mittlerweile gehören solche Selbstschwätzer wie selbstverständlich zum Stadtbild. Wird das Erscheinungsbild – zumindest bei männlichen Jugendlichen - dann noch ergänzt durch eine Hose, die den Blick auf die Unterhose frei gibt und deren Hosenboden etwa in Kniehöhe hängt, so hat man ihn wieder vor sich, den eigentlich schon vergessenen, meist besoffenen Dorftrottel, der ständig etwas vor sich hin quasselnd mit vollgeschissener Hose auf Halbmast durch den Ort taumelt.

Die Arschgeweih-Schlampe, die ja meist nicht weit ist, vervollständigt das traurige Bild. Apropos Alkohol: Die Generation Doof ist offensichtlich auch unfähig mit den diversen Derivaten alkoholischer Gärung, einer der größten Leistungen der Menschheit, richtig umzugehen. Wer das Unglück hat, abends mit der Straßenbahn zu fahren, kann es live erleben, wie kleine Arschlöcher sich schon mal volllaufen lassen mit einer schnell wirkenden Mischung aus Fruchtsäften bzw. Eistee und Wodka. Was soll bei solchen Trinkgewohnheiten – außer dem Mageninhalt – schon herauskommen´ Wie viel anders waren doch da die Besäufnisse meiner Jugend. Nach dem siebten Bier im Zustand leichter, die Hirnzellen anregender Betütteltheit begannen die ernsthaften Gespräche über Das-in-die Welt-geworfen-sein bei Sartre und Camus, die materialistische Geschichtsinterpretation von Karl Marx, das neue Led Zeppelin-Album und die Bedrückungen des Eros. (So war das damals wirklich. Großes Ehrenwort!)
Was für Gespräche sollen aber Leute führen, deren Wortschatz auf einen Spickzettel passt: „Was geht´“, „Geil“, „Cool“, „Krass“, „Mega ...“ und deren Idole dummdreiste, der Sprache und der Musik nicht mächtige Rapper sind, die zu faul und zu blöd waren ein Instrument zu lernen. Das Bewußtsein, das man in meiner Jugend noch zu erweitern trachtete, ist auf ein so genanntes Markenbewußtsein geschrumpft, das die Betroffenen bzw, ihre Eltern teuer zu stehen kommt. Aber macht ja nix: Dann wendet man sich eben an den Schuldenberater, aber nicht an den um die Ecke, sondern den bei RTL, und wenn es mit der Liebe nicht klappt,dann läßt man sich halt öffentlich verkuppeln, am besten nachdem man zuvor von Bruce („Drama Baby“) zurechtgestylt wurde.
Wenn es mit einem anständigen Beruf nicht klappt, der ja auch meisten mit so uncoolen Sachen wie jeden Morgen früh aufstehen und regelmäßig arbeiten verbunden ist, gibt es ja immer noch die Chance via Castingshow Deutschlands neuer Superstar zu werden. Weil die Doofnüsse des Kopfrechnens nicht mächtig sind, kommen sie auch nicht drauf, dass die Chance auf diesem Weg irgendetwas zu erreichen gegen Null tendiert, dass aber das Risiko, sich dabei zum Affen zu machen, riesengroß ist.
Aber der Generation Doof, die die Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, die das Kennzeichen jeglicher Zivilisation ist, längst geschleift hat, ist das eh egal. Hauptsache, man konnt mal ins Fernsehen, ob als Supermodel oder als Supertrottel. Und wo bleibt das Positive bei diesem negativen Befund´

Aufgepasst jetzt kommt es: Erstens besteht die Generation Doof überwiegend aus geburtenschwachen Jahrgängen und zweitens pflanzt sie sich nur mäßig fort. Kinderkriegen ist halt auch uncool und die meisten wissen mit dem Joystick an ihrem PC mehr anzufangen als mit dem fleischfarbenen Stick, der da zwischen den Beinen baumelt. So bleibt die Hoffnung auf das baldige Aussterben der Generation Doof. Aber was danach kommt, das möchte ich gar nicht so genau wissen.