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Leserbrief

zu Dr. Mabuse

Anmerkung zum Text von Dr.Mabuse Ausgabe Sep 07
"Gibt es ein Recht auf Volksmusik´"


Gebt Herrn Dr. Mabuse endlich eine British Folk-Sendung!

Lieber Herr Dr. Mabuse!

Da sitzt meine Oma in ihrem Sessel und freut sich auf ihre Volksmusiksendung. Doch Dr. Mabuse erscheint und verkündet, sie soll das nicht mehr gucken. Diese so genannte Volksmusik sei ein Surrogat und musiktechnisch einfach bäh. Und wer was auf sich hielte, dem gefalle das sowieso nicht. Oma soll umschalten.

Na gut. Klick. Da läuft ja auch gerade etwas Ähnliches. "Partyhits die x-te". Wozu ist diese Show noch mal genau´ Um Musik zu hören. Nein, sie wird ja nur kurz angespielt. Um etwas zu erfahren´ Na ja, die Promis trällern kurz mit und geben ihren Klecks mittelscharfen Senf
dazu. Das findet meine Oma doof, und die Hits auch. Sie ist froh, dass diesem Sommer mal net so a Hitz war. Ha Ha.
Klick. Vielleicht könnte sie sich den James Bond ansehen. Den kennt meine Oma nicht, und schon nach ein paar Minuten ist klar, für Geheimagenten hat sie kein Herz – die können ihretwegen geheim bleiben.
Dann vielleicht "Deutschland sucht den Superstar" – da geht's auch um Musik und aufstrebende Talente. Nett. Finanziell profitieren von dieser Veranstaltung sicher auch nur die jungen Musiker und niemand sonst. Wie nett. Aber mit den mehr oder weniger begabten Wilden kann meine Oma dann doch nicht viel anfangen. Und wer wovon profitiert,
ist ihr ohnehin egal.
Klick. Ein Sportmagazin. Sport ist gut, und wenn man ihn schon nicht mehr betreiben kann, warum nicht per TV teilhaben. „Muss ich das jetzt gucken´“ – fragt sie sich bange beim Länderspiel. Sie versucht sich wenigstens an den vielen schönen Werbeaufdrucken auf Trikots und Banden zu erfreuen – sofern sie sie noch erkennen kann.
Dann wieder klick. Die amerikanischen Krimiserien sind auch nichts für sie.. Die sind sogar der Enkelin irgendwie zu schnell und zu amerikanisch und dafür schämt sie (die Enkelin) sich überhaupt nicht. Kann man die (die Serien) eigentlich noch an etwas anderem unterscheiden als dem Titel´ Oma möchte außerdem keine Todesschreie und blutigen Leichen in ihrer Stube haben. Nie mehr.
Also auch kein Tatort. Klick. Beim Gesundheitsmagazin kann Oma sich nun über einige ihrer Wehwehchen informieren und muss die Ärzte nicht wieder mit blöden Fragen nerven. Da hat sie was davon. Und die Ärzte auch.

Aber dann ist Oma doch enttäuscht, weil sie nichts zum Entspannen gefunden hat. Wovon entspannen´ Diese Frage wird nur beantworten können, wer über achtzig ist. Aber gut. Andere werden sich fragen: Warum müssen die alten Leutchen überhaupt so viel fernsehen´ Die könnten sich doch mal rumdrehen und in eine andere Ecke gucken. Oder aus dem Fenster. Spart alles Strom. Da sie ja schon geistig abgebaut haben, vergäßen sie ohnehin schnell, dass da irgendwo ein Fernseher war. Sie könnten auch mal was lesen, aber scheiße – Brille verlegt. Vielleicht könnten sich mal in die Küche setzen und die Zahlen auf den Herdknöpfen endlich auswendig lernen. Was wohl die Heimleitung dazu sagt. Dann lieber Radio hören, das spart dem Heim gleich ein paar Euro GEZ. Und die Tonträger mit der Volksmusik müssen noch schnell beim QVC bestellt werden, bevor das Sterbeglöckchen läutet – das empfiehlt Herr Dr. Mabuse. Wie heißt der Kerl´ Huch, da läutet es ja schon! Aber es war nur die Post.

Ich bringe meiner Oma eine Tasse Tee, denn sie hat Glück, und lebt bei Ihren Kindern.
„Du musst das verstehen“, sage ich, „Herr Dr. Mabuse findet das zuviel Konservenmucke und zu wenig Originalinstrumente.“
„Ach´ Ja´“ Das sagt meine Oma dazu. Ihr ist das nämlich egal. Ihr geht es um ein fröhliches „Hallo“, um die eine oder andere schöne Melodie, etwas Bekanntes, etwas Neues, ein paar Späßchen – und fertig ist die Gemütlichkeit. Und wenn sie das nun mal gerne hat – nicht wegen, sondern trotz Einweggedudel, asexuellem Schmarrn und Dauergrinsen – dann was´

Dann lasst sie das doch gucken. Ein anderer ergötzt sich eben lieber an zwei Prollfrauen, die ihre Familien tauschen, und sich am Ende beschimpfen, weil die Kinder übellaunig sind und der fremde Ehemann genauso faul ist, wie der eigene. Das hat's dann gebracht. Und ehrlich, mir fallen noch grausigere Sendungen ein. Anspruchslose Aufmachung – also raus aus dem Fernsehen´ Und wo fangen wir an´
Bestimmt hätte meine Oma nichts gegen ein qualitativ höherwertiges Programm einzuwenden. Aber woher nehmen´ Also hat das Volksmusikpublikum genau so viel Recht auf ordentlich Stumpfsinn im Fernsehen, wie alle anderen auch!
Ich möchte fast sagen: mehr. Wenn für mich nichts im Fernsehen kommt, dann kann ich auch auf eine Party gehen. Oder schick ins Restaurant. Ich kann nachts – wenn ich will – auf dem Brückengeländer balancieren und den Nebel überm Fluss betrachten. Oma sitzt derweil zu Hause. Warum soll sie dann nicht Carmen Nebel gucken´
Und, lieber Herr Dr. Mabuse, wenn Sie mal wieder samstagabends dasitzen mit gequältem Intellekt und abgewetzter Fernbedienung – dann gehen Sie doch einfach mal vor die Tür. Ins Kino oder so. Solange es noch ohne Rollwagen und Pfleger geht.

Auch klar: nicht alle alten Leute wohnen im Heim. Nicht alle sind einsam oder beinlahm. Schon gar nicht sind alle Volksmusikgucker alt und gebrechlich – und umgekehrt. Aber Mross & Co. sind nun mal ein Zweig des wuchernden Fernsehbaumes, sie gehören dazu. Und die paar Tralala-Sendungen werden wir doch aushalten. Oder was´

Ich gestehe, dass ich nicht die komplette Mabuse-Staffel mitbekommen habe. Also will ich ganz still sein, wenn Sie, lieber Verfasser derselben, sich gleichermaßen ereiferten, als die ersten Werbespots, in denen vollbusige Trickfiguren eindeutig sexuelles Gesabbel von sich geben, im nachmittäglichen Kinderprogramm auftauchten. Nur als Beispiel. Das gehört hier nicht her´ Sagt wer´ Ich moralisiere´ Tut mir nicht Leid.

Klick. Klick. Klick. Am Ende stößt meine Oma im Programmdschungel doch noch auf Florian Silbereisen. Den mag sie, der ist fröhlich und nett anzusehen. Noch mal Glück gehabt. Und während sie mitsummt und ein bisschen lacht, kann sie für eine Weile alles vergessen, sogar, dass sie in letzter Zeit immer öfter etwas vergisst.

Freundliche Grüße von
Steffi Baatz, einer Enkelin

PS: Leberwurst heißt Leberwurst, weil Leber in der Wurst ist. – Übrigens gibt es sehr wohl Jazz im Fernsehen, wenn auch meist etwas später. Mal die Dritten ein bisschen länger angucken; die, die später im Glas auf dem Nachttisch stehen, sehen sicher nicht mehr so gut aus. Mit Popcorn und Nüsschen ist dann auch Essig. Und das ist keine Drohung.
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