Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 03.2007
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Killt die Killerspiele

Jedes Mal, wenn ein durchgeknallter Jugendlicher zur Waffe greift und an seiner Schule oder anderswo Amok läuft, brandet sie wieder auf, die Diskussion um die Computerballerspiele, die der Einfachheit halber Killerspiele genannt werden - und nichts passiert.

Die Frontstellung ist immer die gleiche: Auf der einen Seite stehen die Hersteller dieser Spiele, die natürlich ein starkes Interesse am Fortgang ihrer Geschäfte haben, die jugendlichen User, die ihr Recht auf ungehemmtes Ausleben ihrer Lust an virtueller Gewalt formulieren (und – wie sollte es anders sein´ - betonen, dass sie im richtigen Leben ganz liebe, nette Menschen sind, die nicht im Traum daran dächten ihren Mitmenschen Leid zuzufügen), liberale Zeitgenossen, die den Gebrauch solcher Spiele als eine Art Menschenrecht ansehen (das war jetzt wohlgemerkt die eine Seite); auf der anderen Seite stehen konservative Politiker und Pädagogen, die ebenso in schöner Regelmäßigkeit ein Verbot der Killerspiele fordern und damit ebenso regelmäßig nicht durchkommen. Ich gestehe, dass ich von Mal zu Mal mehr zur anderen Seite neige.

Es stimmt natürlich, dass der direkte Zusammenhang zwischen dem Abknallen von Pixelhaufen am Computerbildschirm und dem Erschießen leibhaftiger Menschen nicht nachzuweisen ist. Aber das liegt einfach daran, dass der Mensch ein komplexes Wesen ist, das in komplexen Zusammenhängen steckt und deshalb nicht wie eine Laborratte unter reduzierten künstlichen Bedingungen untersucht werden kann. So stellt sich notgedrungen bei allen Untersuchungen die Frage nach der Korrelation zwischen den festgestellten Sachverhalten, das heißt nach dem Zusammenhang des einen mit dem anderen, nach Ursache und Wirkung.

Aber wenn ein offenbar zu Scherzen aufgelegter Killerspiel-User in einem Internet-Forum verlautbart, dass sich, wenn der Amokläufer vor der Tat Schokoladenpudding gegessen habe, ein Zusammenhang mit dem Verzehr des Puddings und der Tat konstruieren ließe, dann zeugt das schon von einem gewissen Zynismus, den man offenbar kultiviert, wenn man keinen besseren Zeitvertreib als das Ausleben von Mordphantasien am PC kennt. Unbestreitbar ist die Tatsache, dass die Amokschützen von Littleton (verewigt nicht nur in Michael Moores „Bowling for Columbine“ und dem nichtssagenden Spielfilm „Elephant“ von Gus van Zant, sondern auch in einem Killerspiel), von Bad Reichenhall (zur Erinnerung: 1999 erschießt ein Schlosserlehrling seine Schwester, drei Passanten und sich selbst), von Erfurt und von Emstetten eines gemein hatten: Sie waren eifrige Nutzer von Computer- und Videospielen mit gewalttätigen Inhalten.

Na, wenn das kein starkes Indiz dafür ist, dass die virtuellen und die realen Mordtaten irgendwie irgendetwas miteinander zu tun haben´ Aber bei solcher Gelegenheit wenden die Verteidiger der Killerspiele gerne ein, die Computerballereien seien doch nicht Auslöser für die Tat, sondern ein Symptom für andere Missstände, für ein kaputtes Elternhaus, für ein schwieriges soziales Umfeld, für Schulprobleme. Stimmt ja auch alles. Aber wer mag da noch unterscheiden zwischen Symptom und Ursache. Ist es nicht richtig, dass man einem Alkoholiker, der Frau und Kinder schlägt, in die Ausnüchterungszelle steckt und auf Entzug setzt´ Oder sollte man ihn weitertrinken lassen unter Hinweis darauf, dass das Saufen ja nur der Ausdruck tieferliegender Probleme ist, die man erst beseitigen müsse.

Die Beseitigung grundlegender gesellschaftlicher Probleme - das ist die liebste Ausrede derer, die mit guten Gewissen nichts tun wollen. Auf die Errichtung einer gerechten und sozialen Gesellschaft, in der es keine lieb- und verantwortungslosen Eltern und keine traumatisierten, neurotischen oder einfach nur frustrierte Jugendliche gibt, kann man lange warten, aber bis dahin wäre es doch ganz gut dafür zu sorgen, dass seelische Verstörtheit und Frust sich nicht in Amokläufen entlädt, deren Handlungsabläufe man zuvor am Computer eingeübt hat. Nur ein Dummkopf kann Realität und Fiktion nicht unterscheiden und natürlich ist es nicht das selbe, ob man am Computer rumballert oder in der Realität. Aber erstens sind die meisten Killerspieler Dummköpfe und zweitens kennzeichnet das Fehlen der Empathie, (das Mitempfinden, das bei den Ballerspielen völlig unangebracht ist und auch nicht verlangt wird) auch ihr Verhältnis zu den Mitmenschen, die damit eben auch als lebendige Zielscheiben in Betracht kommen.

Die Steigerung der Effekte, des Reizes und des Nervenkitzels, das ist das Verkaufsargument für jede neue Spiele-Generation. Ist es da verwunderlich, wenn ein paar Kunden von Millionen ganz individuell für eine noch größere Stimulation sorgen, in dem sie einfach eine Waffe in die Hand nehmen und richtiges Leben vernichten. Zugegeben: Das ist eine absolute Ausnahme, das kommt ganz selten vor. Natürlich sind die meisten Jungen, die ihre Zeit am Computer verdaddeln, keine potentiellen Mörder, aber eines sind sie allesamt: Arme Würstchen.

Das Verbot oder die Indizierung solcher Killerspiele würde den Zugang dazu zwar nicht ganz verhindern, aber zumindest erschweren und es wäre ein Zeichen der gesellschaftlichen Ächtung dieser Killerspiele. Es gibt kein Kinderrecht darauf vor dem Bildschirm zu verblöden und zu veröden, aber sehr wohl eine Pflicht der Erwachsenen dies zu verhindern.