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Archiv: 02.2007
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Ausstellung des Monats

Erich Reiling - Neue Bilder

Halbvoll: Gut! Halbleer: Auch net schlecht!

Mit gigantischen Marketingkampagnen lockt man die Zuschauer heutzutage ins Kino. Und mit hohen Kopienzahlen sorgt man dafür, dass Großproduktionen erfolgreich sind. Aber diese Marktgesetze werden immer wieder, auch die Kinoexperten haben dafür keine Erklärung, über den Haufen geworfen. Durch sogenannte "Sleeper". Beispielsweise: "Die große Stille", ein Film über das Leben im alpinen Kartäuserkloster Chartreuse. Warum, so fragt man sich, wollten bisher mehr als 200.000 Zuschauer die Bilder von altem Mauerwerk, leeren Kreuzgängen, tröpfelnden Eiszapfen, das Spiel von Licht und Schatten sowie den ewigen Wechsel der Jahreszeiten sehen´
Es schein eben Dinge zu geben, die ohne Werbung und lediglich durch Mund-zu-Mund-Propaganda zu überraschenden Erfolgen führen. Vielleicht sucht man in der Gesellschaft, die nur Werte kennt, die an der Börse notiert werden, nach dem, was im Abseits ist und der dominierenden Wegwerfmentalität unattraktiv erscheint.
So gesehen, sind auch Erich Reilings Bilder "Sleeper". Ihr Potential, das sich nur allmählich, aber beharrlich zur Geltung bringt, ist das Einfache. Aber das Einfache ist hochkomplex, weil es sich durch eine strukturelle Zwiespältigkeit auszeichnet. Ein Computer z.B. mit seinem binären Code (Null/Eins) ist nicht in der Lage, die spezifisch zwillingshafte Komplizenschaft von Spontaneität und Kalkül auf diesen Bildern zu "verstehen". Es bleibt seiner Logik unbegreiflich, dass, wer spontan malen "will", im selben Moment aufhört, spontan zu sein. Weil Erich Reiling (geb. 1953, lebt in Durlach, Prof. an der HfG Pforzheim) die Verlangsamung so weit treibt, bis sie bewusst unspektakulär und unbeteiligt wirkt, spürt der Betrachter, wie sich ein anderes Verhältnis zur Zeit einstellt. Man spürt, dass das Malen und Zeichnen bei Erich Reiling kein Überbieten der Turbulenz und Beschleunigung ist, sondern das Gegenteil: Sichtbarmachung von Zögern, Stille; Umkreisen von Unentschiedenheit und Gelassenheit, "Der Abstand ist die Seele des Schönen". (Simone Weil)
Weil Erich Reiling Zeit hat und Zeit läßt, kann man sich die Bewegung der Hand vorstellen; den Zug von oben nach unten, von rechts nach links; das Drehen, Einrichten, Schaben, Kratzen, Wegwischen, Schütten …
Man spürt, dass hier nicht dramatisiert wird. Vielmehr reduziert Erich Reiling das Weltbild auf Ursprüngliches, Vorsprachliches, Ungeschultes. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass dem Betrachter absichtslos und nebenbei eine andere Weltanschauung suggeriert wird. Schau, das Schwarze ist stets im Weißen und das Schmutzige im Hellen, und umgekehrt. Nimm das Leben, wie es ist. Halbvoll: Gut! Halbleer: Auch net schlecht! Vergegenwärtige, dass alles zwei Seiten hat, dass man das Chaos sowieso nicht dirigieren kann. Schön, dass es noch etwas jenseits der "knallharten" Wirklichkeit gibt. Das pure Dasein der Dinge als "glückliches Ereignis". (P. Handke)

Erich Reiling - Neue Bilder, Galerie Rottloff; Sophienstr.105, KA, Di-Fr 14:30-19 Uhr bis 16.02.