Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 08.2005

 

Feinstäube und schwüle Luft

Was für ein Wetter!

Es ist zu heiß, zu schwül und überhaupt: dicke Luft. Endlich Sonne, 30 Grad. Es darf gern ein bisschen mehr sein. Auch wenn die Temperatur turnt: 10 Grad Unterschied in wenigen Tagen´ Macht nichts, Hauptsache sie steigt, frohlocken Sonnenanbeter. Denen dürfte der Klimawechsel entgegenkommen. Nein, keine Wetterkapriole, auch kein Ausrutscher, mal ein heißer Sommer, ein Stürmchen... Der Klimawechsel ist da. Daran lassen Fachleute keinen Zweifel. Fragt sich nur, wie er ausfällt.

Die Modelle variieren. Von einem globalen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 von 1,4 bis 5,8 Grad ist die Rede. Eine ordentliche Spannbreite. Das Land Baden-Württemberg geht bis 2050, bezogen aufs Ländle, in einer gemeinsamen Studie mit Bayern und dem Deutschen Wetterdienst von durchschnittlich + 2 Grad im Winter und + 1,4 Grad im Sommer aus. Die Hitzetage mit über 30 Grad dürften sich von durchschnittlich 16 auf 32 Tage verdoppeln, die Frost und Eistage werden deutlich zurückgehen. Stürme nehmen zu. Im Winter regnet es mehr, im Sommer nehmen die Niederschläge ab. Sie verteilen sich sehr unterschiedlich auf die Fläche, so dass es auch zu Trockenheit kommen kann. Wohl gemerkt: alles als Modell berechnet, heißt es bei der Landesanstalt für Umweltschutz, LfU.

Fest steht: Die Temperaturen steigen. In Baden-Württemberg in den vergangenen 49 Jahren im Jahresmittel um bis zu 1,5 Grad. Gleichzeitig waren Frosttage seltener, die so genannten Starkniederschläge bei denen das Wasser nicht mehr versickern kann, legten zu.

Was ein Temperaturanstieg praktisch bedeuten kann, hat der Sommer 2003 gezeigt. „Für Baden-Württemberg gehen Fachleute von etwa 2000 Hitzeopfern aus. Allein im August von 1000 bis 1400 Sterbefällen“, zitiert der Leiter des Karlsruher Gesundheitsamtes, Dr. Peter Friebel eine wissenschaftliche Studie, die im Auftrag des Landes erstellt wurde. Besonders betroffen sind alte Menschen. Im Alter tut sich der Körper schwerer mit dem Schwitzen. Das Herz muss mehr Pumpleistung erbringen. Außerdem beeinflussten bestimmte Medikamente die Temperaturregulation. Aber auch Schwangeren und Menschen mit Neigung zu Thrombosen litten unter anderen stärker unter Hitze.


Für die 2. Hälfte dieses Jahrhunderts gehen Klimaforscher von durchschnittlichen Sommern wie im Jahr 2003 aus. Der Rheingraben und Karlsruhe sind besonders exponiert. „Wenn ein Hoch richtig über Karlsruhe brütet und die Luft steht, haben wir einen Wärmeinseleffekt“, erläutert Friebel. Im Extremfall gebe es Temperaturunterschiede zwischen Innenstadt und Stadtrand von bis zu 7,5 Grad. Besonders schwer wiege die mangelnde Abkühlung nachts, weil Asphalt und Beton die tagsüber gespeicherte Hitze abgeben. „Der Körper kann sich dann nicht mehr erholen“, sagt der Arzt.

Co2 heißt einer der Hauptübeltäter, der für den Klimawandel verantwortlich ist. Für den Ausstoß sorgt der Mensch. Indem er Auto fährt und heizt, also Kraftstoffe und damit fossile Brennstoffe verbraucht. Auf der Liste der Schadstoffe steht in jüngster Zeit allerdings der Feinstaub ganz oben. Eigentlich sind es Feinstäube. Dieselmotoren stoßen sie aus, sie entstehen aber auch durch Reifenabrieb. Ihr Verhalten ist schwer zu kontrollieren, erläutert ein Experte der LfU. Je nach Wetterlage, Windbewegung, Trockenheit oder Feuchtigkeit verändern sie ihr „Verhalten“. An der Brauerstraße hat das Institut für Geographie und Geoökologie der Universität gemessen, wie stark Bäume dazu beitragen, Feinstäube zu „bannen“. „Bäume können es nicht sehr gut. Man sollte das Entstehen von Feinstäuben verhindern“, sagt der Geoökologe Dr. Tillmann Buttschardt.

Bei der erregten Debatte um Feinstaub fallen Stickoxide in der öffentlichen Diskussion fast unter den Tisch. Auch hier steht der Verkehr als Verursacher an oberster Stelle. „Seit den 90er Jahren ist bekannt, was Verkehrsemissionen für gesundheitliche Folgen haben“, sagt Friebel. Seitdem habe der Verkehr deutlich zugenommen. Es gebe keine Anzeichen für konkrete Bemühungen, daran etwas zu ändern.
Die öffentliche Aufregung, weil die EU verbindliche Werte für den Feinstaub vorschreibt, sei kaum nachzuvollziehen. „Durch Feinstäube sterben in Deutschland mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle“, sagt der Experte. Dabei heiße Grenzwert keineswegs, ein Stoff sei bis zu einiger gewissen Konzentration ungefährlich. Bei manchen Schadstoffen könnten Grenzwerte teilweise überschritten werden, ohne dass direkt gesundheitliche Folgen drohen. Feinstäube verursachten aber schon unterhalb des Grenzwertes Schädigungen.


An den Rezepten, Luftverschmutzung zu verringern hat sich kaum etwas geändert: Verringerung des Verkehrs, Einsatz von alternativen Energien, aufs Rad umsteigen, Grünflächen vernetzen und gerade ältere Gebäude, die fossile Brennstoffe verschlingen, sanieren. Wichtig sind in Städten Schneisen für den Luftaustausch, damit in Karlsruhe zum Beispiel der Wind aus dem Pfinz- und Albtal durch die Stadt streichen kann. Durch den Beitritt zum Klimabündnis der Städte können Mitglieder auch über die Region hinaus Einfluss nehmen. Indem sie sich zum Beispiel verpflichten, in öffentlichen Gebäuden kein Tropenholz zu verwenden.

In der Fauna zeigt sich in der Region schon der Klimawechsel. Libellen aus dem Mittelmeerraum sind über die Burgundische Pforte nach Süddeutschland eingewandert und Wildbienen aus dem Süden bis ins Oberrheingebiet gekommen. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft, etwa bei Kaltkeimern, die Frost brauchen, um sich zu entwickeln ist noch nicht absehbar. Wein- und Obstbauern dürften sich auf mehr Schädlinge einrichten. Wie schnell das alles geht´ Schwer zu sagen. Selbst wenn global radikal umgedacht und gehandelt wird, schreite die Erwärmung zunächst fort. „Das Klima ist wie ein Ozeandampfer. Selbst wenn der plötzlich den Rückwärtsgang einlegt, fährt er noch Kilometer weiter geradeaus“, sagt ein Experte. Der andere Eckpunkt des Szenarios: Extremes Wachstum der Weltwirtschaft, ungebremster Rohstoffverbrauch und Absage an den Umweltschutz. Da komme der Dampfer noch besser in Fahrt. lütt