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Archiv: 08.2008
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Knut Weber

Über Tiere und das Theater

Mit drei Premieren am letzten September-Wochenende startet das Schauspiel am Badischen Staatstheater in die neue Saison. Die ungewöhnlichste Aufführung ist dabei die Premiere des neuen Elfriede-Jelinek-Stücks “Über Tiere”, das Knut Weber in Kombination mit Giovanni Pergolesis “Stabat Mater” einem der beliebtesten geistlichen Musikstücke des 18. Jahrhunderts, in der Nancyhalle inszeniert, hier unter anderem der Nähe zum Zoo wegen. Johannes Frisch sprach mit dem Schauspieldirektor über das Projekt und die neue Saison.



Seit Elfriede Jelinek 2004 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, was damals sehr kontrovers diskutiert wurde, ist sie am Badischen Staatstheater in jeder Spielzeit auf dem Plan. Was schätzen Sie besonders an der Österreicherin als Theaterautorin´

Knut Weber: Elfriede Jelinek ist in der Tat eine sehr spezielle Autorin, die wir besonders pflegen. Sie ist die einzige, die dem Theaterteam einen absoluten Freiraum lässt und es zur Koautorenschaft einlädt. Abgesehen davon ist sie in der Art ihrees Denkens und Schreibens eine hellsichtige Zeitgenossin, die tagesaktuell reagiert.

Nun ist “Über Tiere”, es geht doch wohl eher um Gewalt gegen Frauen, ein sehr drastischer Text, wie kommen sie darauf, diesen mit einem religiösen musikalischen Werk zu kombinieren´

Weber: Der Text beruht ja zum Teil auf den Mithörprotokollen von Telefonaten eines Wiener Callgirlrings, in denen Freier bei Zuhältern Prostituierte bestellen und bei der Beschreibung ihrer Wünsche im wahrsten Sinne kein Blatt vor den Mund nehmen. Der andere Teil besteht aus dem Monolog einer Frau, die verlassen wurde. Die thematische Klammer der beiden Teile ist die These von der “Frau als Ware”. Auf der anderen Seite haben wir eine Musik, die an Reinheit und Schönheit kaum zu überbieten ist. Im Kontrast verkörpert sie so etwas wie die Erlösung von dem Dreck der Welt.

Mit dem Programm “downtown” haben sie sich zu Beginn ihrer Amtszeit bewusst in die Stadt und an ungewöhnliche Orte begeben. Nun nutzen Sie den in vielerlei Hinsicht zur Disposition stehenden Spielort Nancyhalle. Welche Probleme und Herausforderungen birgt dieses Gebäude für das Theater´

Weber: Über Probleme möchte ich gar nicht sprechen, lieber über Herausforderungen. Die Nancyhalle ist ein sehr ungewöhnlicher, aber sehr reizvoller Ort, insbesondere durch seine Nähe zum Zoo. Der Raum, den wir bespielen, bietet einen direkten Einblick in die Natur. Meine These ist, dass für Jelinek die Tiere für die Unschuld stehen. Also auch hier ist der Kontrast zur Kompromisslosigkeit des Textes sehr reizvoll.

Jelinek bietet mit “Über Tiere” ja nicht viel mehr als einen großen Textfluss, der vielleicht ja selbst musikalischer als dramatisch wirkt. Haben sie schon eine klare Vorstellung wie sie das Textmonument in Szene setzen´ Oder wird der Abend eher einen Konzertcharakter haben´

Weber: Für mich trägt der Abend den Untertitel “Theaterinstallation”. Es ist ein Experiment für zwei Sängerinnen, eine Schauspielerin und ein kleines Orchester. Wie genau das funktionieren soll, möchte ich noch nicht verraten, das soll ja auch eine Überraschung sein.

Als sie in Karlsruhe antraten, waren sie ein Schauspieldirektor, der nicht selbst inszeniert. Dann haben Sie mit den großen Alten des Hauses Märchen und schrullige Unterhaltung in die Hand genommen, im vergangenen Jahr eine kleine Telemann-Oper und jetzt wieder eine Produktion mit einem musikalischen Schwerpunkt. Welche Entwicklung nimmt Knut Weber als Regisseur´

Weber: Das Musikalische reizt mich derzeit ungemein, da habe ich Blut geleckt. Mich interessieren momentan vor allem spartenübergreifende Projekte mit experimentellem Charakter, bei denen ich auf Forschungsreisen gehen kann und sich mir neue Horizonte eröffnen. Eine Klassikerbearbeitung würde mich zur Zeit nicht so sehr reizen. In den ersten Jahren in Karlsruhe ging es vor allem darum, ein Ensemble zu prägen und den Laden zusammenzuhalten. Jetzt ernten wir die Früchte, was mir die Freiheit gibt, mich auch selbst verstärkt künstlerischen Dingen zu widmen.

Können Sie in wenigen Sätzen den Roten Faden durch die kommende Spielzeit beschreiben´

Weber: “Verwilderung” ist das Stichwort, das den Versuch beschreibt, einer Wahrnehmung unserer Gesellschaft nachzuspüren, die deren Nachtseite beleuchtet. Wir kümmern uns damit um die Kehrseite des Themas “Recht und Gerechtigkeit” der vergangenen Spielzeit. Drei Stücke möchte ich in diesem Zusammenhang nennen, natürlich “Über Tiere”, aber auch “Romeo und Julia” und Kleists Drama “Penthesilea”, wo es tatsächlich um die Nachtseite unserer zivilisatorischen Verfasstheit geht.

> “Über Tiere/Stabat Mater”, 26.9., 21 Uhr, Nancyhalle, Karlsruhe, Festplatz,

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