Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2005
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Dr.Mabuse: Über Biergärten und ähnliches

Der Sommer geht zur Neige. Und damit endet auch eine relativ verregnete Biergarten-Saison. „Biergarten“ , was für ein schönes Wort, zusammengesetzt aus zwei schönen Worten, die Schönes, Gutes und Wahres bezeichnen.

Da ist das Bier, das kein geringerer als Benjamin Franklin, der Autor der US-amerikanischen Verfassung. als flüssigen Gottesbeweis angesehen hat („Beer is Proof that God loves us and want us to be happy“). Der deutsche Dichter und bekennende Biertrinker Gottfried Benn hat in anderen Worten dasselbe über das Bier gesagt und in Benns prosaischem Poem „Was schlimm ist“ lautet die zweite Strophe:. „Bei großer Hitze ein Bier sehen, das man nicht bezahlen kann.“ Ja, in der Tat , das ist schlimm. Und da ist der Garten, zu dessen Lobpreis ich keinen Dichter bemühen muss, andernfalls käme ich aus dem Zitieren gar nicht heraus. Seit der Mensch aus dem Garten Eden vertrieben wurde, scheint er danach zu streben sich selbst ein Stück Paradies zu schaffen oder zumindest in einem solchen zu lustwandeln respektive zu sitzen-. Biergarten, ein Wort, das es verdient hätte, in einer Liste der schönsten deutschen Wörter an oberster Stelle zu erscheinen. Die einzige Blume, die in der Regel darin wächst, ist die Blume auf dem Bier, jene Schaumkrone, die sich über das Glas wölbt und dem Gast verrät, dass richtig eingeschenkt wurde, dass das Bier, das ihm kühle Labsal verheißt, frisch gezapft auf den Tisch gekommen ist. Das erste Bier nach einem heißen Sommertag muss zischen.......

Aber bevor ich mich weiter in einen imaginären Biergarten hineinphantasiere, komme ich zurück auf den Boden einer eher nüchternen Realität. Vieles, was sich Biergarten nennt, verdient diese Bezeichnung, die eine Auszeichnung ist, nicht. Zwei Stühle und ein Tisch auf einen Bürgersteig gestellt, das ist nicht etwa der kleinste Biergarten der Welt, sondern dessen kümmerliche Karikatur. Ich kann ja verstehen, dass mancher Wirt an lauen Sommerabenden, wenn das Volk sich vornehmlich in Straßencafés und Biergärten tummelt und die Leere des eigenen Lokals ihn angähnt, auf die Idee kommt, mal eben schnell einen eigenen Biergarten aus dem Hut bzw. auf das Straßenpflaster zu zaubern. Aber wer mag sich da niederlassen, umschwirrt von Fußgängern, denen man von seinem Stuhl aus ein Bein stellen könnte, wenn man das wollte, stets der Gefahr ausgesetzt, dass ein Radfahrer, der rücksichtlos den Bürgersteig als Radweg nutzt, einem in den Schoß oder in die Suppe fällt.

Die akustische Kulisse dieses ganz besonderen Biergarten-Erlebnisses bildet der vorbeirollende Straßenverkehr, dessen Kohlenmonoxydausstoß sich auf Speis und Trank legt, die Bierblume grau färbt und die Lungen, die doch eigentlich unter freiem Himmel frei durchatmen wollten, beschwert. Übrigens: Auch der stehende Verkehr ist dem Open-Air-Erlebnis hinderlich. Nie und nimmer wird aus einem Parkplatz ein Biergarten.

Aber auch das habe ich schon gesehen: Ein Lokal mit gehobenen Preisen, das auf einen angrenzenden Platz, auf dem sich bislang Autos breit machten, ein Areal für die Außenbewirtung abgesteckt hat. So schlemmen und schlürfen nun die Besserverdienenden in Tuchfühlung des umherstehenden Autobleches. Vielleicht ist ja auch das eigene Auto darunter, das einem so nah auf die Pelle rückt, als wolle es bei Herrchen und Frauchen mitessen. Nein, das ist nicht meine Vorstellung von einem schönen Abend zu zweit. Aber es gibt nun mal dickfellige Zeitgenossen, denen es vor nichts graut. Ich habe auch schon Leute ungerührt im Freien sitzen sehen, während vor ihnen die Straße auf- oder ein Haus abgerissen wurde.

Wen das Geräusch einer Dampframme oder eines Steinschneiders nicht am gemütlichen Sitzen hindert, den stört ganz sicher auch nicht die Außenbeschallung mit dem Gedudel, das irgendein Privatsender oder SWR 4 versendet nebst Verkehrshinweisen („Zwischen Karlsruhe und Karlsruhe-Durlach zwei Kilomenter Stau. Vorsicht das Stauende liegt in einer Kurve“) , die man natürlich, wenn man es sich bequem gemacht, ein Bier und - sagen wir - ein Wiener Schnitzel mit Pommes bestellt hat, ganz besonders dringend benötigt.

Eine Oase der Ruhe sollte ein Biergarten sein, in dem man auf Abstand gehen kann zum geschäftigen Treiben der Welt, nichts anderes sollte man hören als das Säuseln des Windes in den Blättern der schattenspendenden Bäume, das ferne Grummeln der Tischnachbarn und die Stimmen der Liebsten bzw. des Freundes , mit der/dem man die Bierbank drückt. An einem solchen Ort kann man die Beine und die Seele baumeln lassen, da möchte man zum Augenblick sagen: „Verweile doch, du bist so schön.“ und „Noch ein Bier“.

Die Pervertierungen einer den öffentlichen Raum sich einverleibenden unersättlichen Gastronomie sind mir aber ein Gräuel. So viel Bier geht gar nicht in mich hinein, dass ich mir das schön trinken kann.