Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2016
Kunst, Ausstellungen Kunst

 

Siegfried Zielinski - HfG

Lust und Experiment im Mittelpunkt

Am 26. April wird Siegfried Zielinski als Rektor der Karlsruher Hochschule für Gestaltung (HfG) offiziell ins Amt eingeführt. Er folgt auf den Philosophen Peter Sloterdijk, der der Hochschule 14 Jahre vorstand. In jüngster Zeit hatte die HfG eher durch Negativschlagzeilen als durch glänzende Ergebnisse von sich reden gemacht, das will der erfahrene Medientheoretiker Zielinski ändern. Als ausgesprochener Kommunikator will Zielinski, der seit Jahren regelmäßig am ZKM als Kurator tätig ist, den Dialog innerhalb der Hochschule, zum ZKM und zu den anderen Lehr- und Kultureinrichtungen der Stadt aufnehmen und die Hochschule internationalisieren.

Herr Zielinski, andere gehen in Ihrem Alter in den Ruhestand. Was hat sie gereizt, die Leitung der Karlsruher HfG zu übernehmen?

Siegfried Zielinski: Ich fühle mich noch jung genug, ein Abenteuer eingehen zu können. Ich hatte ein sehr verführerisches Angebot aus Hongkong vorliegen, als aus Karlsruhe die Anfrage kam, mich um die Leitung der Hochschule zu bewerben. Dabei wurde mir signalisiert, dass die Hochschule in einer schwierigen Situation sei, und dass man meine Hilfe brauche. Dass ich mich für Karlsruhe entschied, hängt mit einer besonderen Art von Verantwortungsbewusstsein zusammen. Ich finde, dass wir Älteren in der Pflicht stehen, uns um die Zukunft und die Chancen der jungen Menschen zu kümmern. In den vergangenen vier Jahrzehnten habe ich in Hochschulen eine Kompetenz erworben, die es nun einzusetzen gilt. Ich habe die Geschichte der HfG von ihren Anfängen verfolgt und stand in regem Kontakt mit Heinrich Klotz, da ich als Gründungsrektor der Kölner Kunsthochschule für Medien eine ähnliche Entwicklung wie er in Karlsruhe vorangetrieben habe.

Die HfG ist ein Zwischending zwischen einer freien Akademie und einer wissenschaftlichen Hochschule. In welcher Rolle sehen Sie die HfG, was vor allem sollte sie ihren Studierenden vermitteln?

Zielinski: Das ist relativ einfach. In Karlsruhe haben wir auf der einen Seite mit dem KIT und der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft hervorragende Ausbildungsstätten in Technologie und Wirtschaft, auf der anderen Seite eine bedeutende Musikhochschule und eine großartige Kunstakademie. Die HfG sehe ich in diesem Spannungsfeld genau in der Mitte zwischen Kunst und Technik. Es geht darum die Kultur des Experiments zu pflegen und Kunst und Gestaltung in Konfrontation mit den neuen Technologien zu schaffen. Diese Position bietet riesige Chancen, aber auch große Herausforderungen, denn die Situation hat sich gegenüber den Gründungszeiten in den 90er Jahren dramatisch geändert. Die damals Neuen Medien sind heute zu alten Medien geworden, vor allem aber haben sie sich wie das Internet in der Gesellschaft etabliert und sind zum unverzichtbaren Bestandteil von Ökonomie, Politik und Gesellschaft geworden. Heute geht es darum, ein neues Verhältnis zu ihnen zu entwickeln und wieder verstärkt ein kritisches Bewusstsein zu fördern. Früh schon haben Denker darauf hingewiesen, dass die Netze ambivalent sind. Auf der einen Seite ermöglichen sie mehr Mitsprache und Demokratie, auf der anderen Seite sind sie gigantische Kontrollinstrumente, die in den falschen Händen verheerende Auswirkungen haben. Daher plädiere ich hier sehr für einen Lehrstuhl für critical engineering. Es ist unsere Aufgabe, in der Spannung zwischen Technologie auf der einen Seite und der Poesie und Ästhetik der Medien auf der anderen Seite zu experimentieren, was Kompetenzen in beiden Disziplinen erfordert. In diesem Sinne muss unsere Hochschule wieder zu einem Ort werden, an dem Kritik und Experiment kräftig rumoren.

Sie haben vier Jahrzehnte Erfahrung mit Medienhochschulen. Inwieweit haben sich die Ansprüche und Haltungen der Studierenden im Laufe der Jahre gewandelt?

Zielinski: Das ist eine hochspannende Frage. Als wir in den 70er Jahren begannen, uns als Studierende mit Medientechnik auseinanderzusetzen, stand ganz klar die Kritik der Maschinen und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen im Mittelpunkt. Heute geht es den Studierenden vielfach um das Einrichten und Lenken der Maschinen. Viele wollen Karriere machen und gestaltend oder künstlerisch Teil des Apparates werden. Das ist eine sehr wichtige Veränderung, der man sich stellen muss. Die Trennlinien zwischen Kunst und ihrer Anwendung sind in den vergangenen Jahren unschärfer geworden. Doch das Moment der Subversion der Maschinen sollte nicht aus den Augen verloren werden, gerade unter den Designern gibt es hier spannende Entwicklungen zum kritischen, zum spekulativen und konzeptuellen Design. Wir müssen den Studierenden insgesamt ein realistisches Gefühl für ihre Lage vermitteln.

Welche Impulse wollen Sie der Karlsruher HfG geben und welche Akzente setzen?

Zielinski: Meine Aufgabe ist es, die Idee des Zusammenwachsens von ZKM und HfG wieder fruchtbar zu machen und die HfG wieder in einen internationalen Kontext zurückzubringen. Auf diesem Weg werde ich im kommenden Semester erstmals einen Gastprofessor aus China einladen, der Foto und Technoimaginäres lehren wird. Im Sommersemester werden wir Professoren aus zehn verschiedenen Ländern haben, denn es ist sehr wichtig, an solch einem Ort Weltoffenheit herzustellen. Dringend muss das vernachlässigte Thema der Netzwerke ins Zentrum gerückt werden, das unsere Gegenwart prägt wie kaum ein anderes. Das wichtigste ist aber, hier wieder eine Atmosphäre der Zuversicht und der neuen Möglichkeiten zu etablieren. Als ich hier anfing, war ich sehr erschrocken, wie viele hier „schlecht drauf“ waren. Es ist ein unglaublicher Luxus an einer Hochschule zu studieren und zu lehren, umso mehr an einer Kunsthochschule wie dieser, wo man sich mit den Dingen beschäftigen kann, die man am liebsten macht. Die Lust und das Experiment müssen wieder im Mittelpunkt stehen und ich will meinen Beitrag leisten, dass es hier wieder ordentlich brummt.
jf