Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 12.2015
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Siegfried Kreiner 60 Jahre auf der Bühne

„Das tun, woran man selbst glaubt“

Mit der Premiere des von ihm wie in den Vorjahren inszenierten Weihnachtskabaretts feiert Siegfried Kreiner in diesem Winter sein 60. Bühnenjubiläum. Als Chorsänger hatte er in der Kirchengemeinde bei kleinen Aufführungen erste Rollen übernommen an Weihnachten 1955 stand er als Zimmermann Josef im Krippenspiel vor der Gemeinde - so wie viele Bühnenkarrieren beginnen, und die meisten schnell wieder enden. Doch für Kreiner war damit zwar nicht der Weg zur Schauspielschule vorgepflastert, das Theater sollte den angehenden Pädagogen sein Leben lang nicht mehr in Ruhe lassen. Noch aus der Jugendgruppe der evangelischen Lukasgemeinde in der Karlsruher Weststadt heraus initiierte er bald ein Spielschar, die schnell in die Gründung des Sandkorn-Theaters mündete, das im kommenden Sommer sein 60-jähriges Bestehen feiert. Hier fungierte Kreiner als Motor, Regisseur und Theaterleiter, doch die größte Befriedigung erzielte er aus seiner Rolle als Schauspieler im direkten Kontakt mit dem Publikum: „Da konnte ich mich ausleben. Eine Rolle zu interpretieren ist eine wunderbare Aufgabe. Dabei kann man Erfahrungen machen, die man in dieser Dichte und Tiefe im Leben sonst kaum haben kann. Hier kann ich Dinge tun, für die ich im richtigen Leben bestraft würde. Nur in diesem Freiraum gibt es ein Zurück und gerade dadurch können wir in unserer Erkenntnis ein Stück weiter kommen.“ Zwei Rollen, die Kreiner besonders beschäftigten waren die Rollen des Hans Wurst in Peter Weiss’ „Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wurde“ und die Titelrolle in Peter Handkes „Das Mündel will Vormund sein“, die Kreiner mehr als 500 Mal in den verschiedensten Ländern spielte. „In der einen Rolle faszinierten mich die lachenden Gesichter, die ich mit meinem Spiel hervorrufen konnte, beim Mündel waren es die erstaunten und erschreckenden Reaktionen, die wir bei unserem wortlosen Spiel um die Macht durch unsere Masken beim Publikum beobachten konnten“, sagt der 75-jährige Kreiner, der erst vor wenigen Jahren das Spielen beiseitelegte. Fernab vom Gedanken an Ruhestand leitet er heute die Verwaltung des Sandkorns und gönnt sich zumindest zum Jahresende einmal die Regie des von ihm besonders geliebten Weihnachtskabaretts. Dabei denkt er immer wieder auch an den verstorbenen Regisseur und Kabarettisten Walter Netzsch: „ Mit ihm haben wir fast alle Valetinaden auf die Bühne gebracht, und er hat uns diese immer sehr liebevoll nahegebracht. Wenn ich selbst Regie führe, denke ich immer wieder, jetzt muss ich etwas Aufmunterndes sagen, um die Spieler zu motivieren, das hat Netzsch auch immer so gemacht.“ Selbst wenn sich Kreiner darüber klar ist, dass der Schauspieler, selbst wenn er auf der Bühne gesellschaftlich wichtige, bisweilen brisante Themen aufgreift, in der Gesellschaft letztlich nicht allzuviel bewegen kann, macht er sich um die Zukunft des Theaters keine Sorgen: „Es ist unsere Aufgabe, Themen, die die Gesellschaft berühren, aufzugreifen, und diejenigen, die ins Theater gehen, aufzurütteln, oder aber auch aufzumuntern. Den größten Erfolg wird man immer damit erzielen, das zu tun, woran man selbst glaubt.“ Da kann dann selbst ein kleines Sandkorn, das sich ins Getriebe setzt und einen Motor zum knattern bringt, durchaus Innehalten und Reinigung herausfordern und damit die schon von der antiken Tragödie erwartete katharsische Wirkung entfalten.