Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2006
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Boxen und Sticheln

Neue kulturelle Disziplin

Badischer Beobachter


Ein Jahr ist es her, da ereilte Karlsruhe das Aus in Sachen Kulturhauptstadtbewerbung. Viel zu gut sei man bereits, lautete der Trost der Jury. Ein Jahr danach offenbaren sich Risse im Lack der damals durch das gemeinsame Ziel zusammengeschweißten Kulturschaffenden der Fächerstadt. Friede und Freude scheinen dahin, und wenn nicht Hauen und Stechen, so sind doch zumindest das Boxen und Sticheln angesagt. Vor allem unter der veranstaltenden Zunft und den Kleintheatern sind Spannungen zu registrieren. Bei genauerem Hinsehen allerdings erweisen sich manche Interessensgegensätze als herbeigeredet und übertrieben.




Da wäre zunächst einmal eine Art Generationenkonflikt innerhalb der Karlsruher Kulturlandschaft. Angeblich verläuft ein Graben zwischen den im Kulturring organisierten, „etablierten" freien Kultureinrichtungen einerseits und kulturell engagierten Clubs andererseits, die sich zu einer IG Clubkultur zusammenschlossen, um ihre anspruchsvollen Programme mit einem gemeinsamen Auftritt zu stärken. Kulturbürgermeister Ullrich Eidenmüller jedenfalls hat einen „gesellschaftlichen Wandel" festgestellt und bereits im vergangenen Dezember den Kulturausschuss in Klausur geschickt, um Richtlinien für die kommunale Kulturförderung der näheren Zukunft zu bestimmen.
Zwei Dinge empfahlen die Kulturpolitiker und -experten. Zum einen sollten wieder mehr frei verfügbare Mittel im Kulturhaushalt auch für kurzfristige Projekte und jüngere Initiativen zur Verfügung stehen, zum anderen wurde mehr Transparenz bei der Mittelvergabe gewünscht. Der Kulturbürgermeister hatte hierfür auch gleich ein Rezept parat, indem er sich abermals, wie schon bei der Kulturhauptstadtbewerbung von Graz, der europäischen Kulturhauptstadt 2003, anregen ließ.

Kultur - TÜV
In der steierischen Landeshauptstadt wurde aus der Kulturszene heraus der Wunsch nach Transparenz der städtischen Förderungspolitik laut, nachdem der warme Regen des Haupstadt-Jahres wieder verdunstet war. Deshalb entwickelte eine Unternehmensberatungsfirma ein Konzept zur Bewertung der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen. Das gründete seine breite Akzeptanz nicht zuletzt darauf, dass es in erster Linie die Kulturschaffenden selbst an der Gewichtung und Beurteilung der eigenen Qualitäten mitwirken ließ. In Frage stand in erster Linie, wie gut die selbstgestellten Ansprüche jeweils erfüllt werden, und erst im Hintergrund kamen von außen angelegte Maßstäbe mit zum Tragen. Aus der in komplexen Gesprächen ermittelten Bestenliste wurde dann der bisherige Verteilungplan der Förderungsmittel korrigiert, wobei der Fördertopf insgesamt nicht verändert wurde.
In Karlsruhe nun, wo derzeit um die Modalitäten einer solchen neudeutsch Evaluation genannten Bewertung gerungen wird, liegt die Sache ein wenig anders. Zum einen kam die Transparenzforderung, und damit der Wunsch nach einer Evaluation aller Einrichtungen, hier nicht von den Kulturschaffenden selbst, sondern aus der Politik, zum anderen soll sie unter einem negativen Vorzeichen stehen. Denn auch wenn sich der Fördertopf insgesamt nicht verändern soll, ist das unausgesprochene Ziel, dass sich mit Hilfe der Evaluation aus den bisher an Institutionen gebundenen Geldern ein namhafter Projektmitteltopf zur freien Vergabe herausmelken lassen soll. Hierfür freilich rechte Begeisterung bei den geförderten Institutionen zu wecken, wird kaum möglich sein. Dass es sich bei den zu evaluierenden Institutionen nicht um die großen Einrichtungen wie Staatstheater oder ZKM, die über 90 Prozent der städtischen Fördermittel binden, handelt, darin wiederum sind Graz und Karlsruhe vollkommen vergleichbar.
Kurzfristig zu beantragende, nicht an eine alljährliche Vergabe gebundene Fördermittel gab es früher auch in der Karlsruher Kulturpolitik in größerem Maß. Als die Kassen knapper wurden, wurde hier gestrichen, das so der geringste Widerstand zu erwarten war. Nun bedauert man freilich das Fehlen von Gestaltungsspielräumen, mit denen nicht nur Eidenmüller liebend gerne neue kulturelle Initiativen unterstützen würde, die man unter dem Begriff Club-Kultur zusammenfassen kann.

Kompetenz gefragt
Hieraus freilich einen Grabenkampf der Kulturen (innovative Clubkultur vs. vermeintlich langweilige Etablierte) abzuleiten und herbeizureden, hilft nicht weiter, zumal der ausgemachte „gesellschaftliche Wandel" in diesem Bereich so klar nicht auszumachen ist. Relativ jung ist auf alle Fälle die Aufnahme von DJs in den Kreis der Künstler, auch wenn dieser Anspruch nicht auf jeden Plattenleger zutreffen mag. Ob seine Kunst deshalb jedoch aus öffentlicher Hand gefördert werden sollte, ist eine ganz andere Frage.
Überhaupt nicht neu hingegen ist es, dass Gastronomen als Veranstalter auftreten, Lokale wie u.a. die Durlacher Traube, die Dorfschänke, Beim Schupi oder auch der Vogelbräu, machen dies seit Jahrzehnten. Dass nun andere, nur weil sie sich das modische Clubmäntelchen umhängen, hier grundsätzlich anders einzustufen wären, dafür gibt es keinen Grund.
Anspruchsvolle Clubs wie das Radio Oriente, die Stadtmitte oder die mood lounge, um nur drei Vertreter der IG Clubkultur zu nennen, bereichern mit ihren Programmen das kulturelle Leben der Stadt enorm, das steht außer Frage. Ihre Probleme freilich sind weniger eine fehlende Subventionierung, als vielmehr bürokratische Hindernisse und fehlende Anerkennung, die ihnen das Leben schwer machen. So ist es diesen Clubs bis heute unmöglich für ihre Veranstaltungen legal und verhältnismäßig kostengünstig in der Stadt zu plakatieren. Hier wäre das Kulturamt als Wegbereiter dem zuständigen Bauordnungsamt gegenüber und als Kompetenzstelle gefragt, denn einerseits ist es nicht nachvollziehbar, warum engagierte Clubs für hervorragende Veranstaltungen nicht werben dürfen, andererseits muss es auch eine Grenzziehung geben, denn es kann nicht im Interesse der Öffentlichkeit sein, wenn Plakate für Ballermann-Partys und Miss-Wahlen die Stadt überfluten.

Künstliche Fronten
Für solche Aufgaben braucht es ein Kulturamt, das sich mehr als bisher öffnet und sich in aller erster Linie als Dienstleister für alle sieht, die seine Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Eine Evaluation braucht es dafür nicht, auch wenn diese vielleicht nicht schadet, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Ob sie allerdings die Stimmung innerhalb der Karlsruher Kulturlandschaft hebt, das hängt sicherlich nicht unwesentlich von deren Ergebnis ab, und es muss stark angezweifelt werden - wenn man hört, wie derzeit bereits der Streitpilz genährt wird, Jounalisten in ihrer Not, sich zu profilieren, vor Diffamierungen nicht zurückschrecken, um künstliche Fronten aufzubauen. Dass es heute das Tollhaus trifft, dem gar der Anspruch, ein soziokulturelles Zentrum zu sein, und damit die Förderungswürdigkeit durch das Land abgesprochen wird, mag nach dem Motto „Erfolg schafft Neider" mehr oder weniger zufällig sein, es kann jedoch morgen jeden anderen treffen. Kultur braucht Austausch und Dialog, nicht Missgunst und Kleinkrieg.